Kapitel VIII
Unterricht in umgekehrter Demokratie
Die obersten Henker
Wir dachten, wir seien als Befreier nach Deutschland gekommen, um die deutschen Menschen von der Diktatur zu befreien, sie auf ihre Irrtümer hinzuweisen und ihnen die Vorzüge unserer Form von Demokratie und freiem Unternehmertum zu zeigen. In Wirklichkeit akzeptierten wir in Potsdam ein Programm, das unsere ganzen Prinzipien zunichte machte und unsere Form von Demokratie nur als das Gegenteil davon darstellen konnte. Das Potsdamer Abkommen war maßgerecht für Sowjet-Rußland ausgelegt und nicht für freies Unternehmertum oder freie demokratische Entfaltung. Seine Durchführung erfordert Totalitarismus der Art, wie ihn die Sowjets verstehen, eine Art, die, als die Nazis ihn praktizierten, uns so empört hatte, daß wir einen Krieg von einer halben Billion Dollar kämpften, um ihn von der Erde auszuradieren.
Als erstes schalteten wir die deutsche Regierung aus, das einzige Instrument, mit dem das deutsche Volk es hätte unternehmen können, sich selbst zu erhalten und ersetzten sie durch ein System von militärischem Absolutismus, nicht freier amerikanischer Einrichtungen oder Ideale, sondern des Absolutismus, der in Potsdam dominierte. Der militärische Absolutismus wurde durch folgenden Erlaß eingesetzt:
In der Zeitspanne, in der Deutschland den Forderungen der bedingungslosen Kapitulation nachkommt, wird die oberste Befehlsgewalt in Deutschland durch die Oberbefehlshaber im Auftrag der Regierungen von Sowjet-Rußland, Britannien, den Vereinigten Staaten und Frankreich ausgeübt, jeder in seiner Besatzungszone und in Angelegenheiten, die Deutschland als ganzes betreffen. Die vier Oberbefehlshaber bilden zusammen den Kontrollrat.
Diese komplizierte Bürokratie, die unter der Oberhoheit dieser fremden militärischen Diktatur eingerichtet und von einer Hierarchie herablassender Cäsaren geleitet wurde, stellte eine gelungene Kopie des autoritären Apparates sowohl der Sowjets als auch der Nazis dar.
Wie wir gesehen haben, hatte diese Diktatur nicht den Zweck, das gefallene Reich wieder aufzurichten und zu rehabilitieren, sondern um es zu unterdrücken und Schranken für seine Wiederaufrichtung zu errichten. Mit Hunderttausenden von schwerbewaffneten Besatzungstruppen hinter sich, war die fremde Diktatur auch darauf vorbereitet, jeglichen Widerstand der Deutschen zu verhindern, wenn sie erkennen sollten, daß der Grund für ihre Vernichtung vorbereitet worden war, indem man sie sich selbst überließ und Hilfe von außen verboten war und darüber hinaus die erforderlichen Mittel zum Überleben zerstört worden waren. Ein schalldichter eiserner Vorhang wurde rund um die Opfer heruntergelassen, der die Verbindung zur Außenwelt vollkommen abschloß, angeblich um eine Ansteckung anderen Nationen mit Nazi-Ideen zu verhüten, jedoch auch um zu verhindern, daß die verzweifelten Schreie von deutschen Frauen und Kindern nach außen dringen und andere beunruhigen konnten, während das schreckliche Programm durchgeführt wurde.
Als die Todesschlinge um sie enger wurde, machte man die Deutschen glauben, daß einzig und allein sie selbst die Schuld für das Dilemma hatten. Sogar den unvermeidlichen Zusammenbruch der Wirtschaft schob man der deutschen Verwaltung in die Schuhe. Sie mußten dazu gebracht werden, in die eigene Falle zu gehen. Potsdam sagt:
Bei der Einrichtung und Unterhaltung einer Wirtschaftskontrolle, soll ein deutscher Verwaltungsapparat geschaffen werden, und von den deutschen Behörden soll in größtmöglichem Ausmaß verlangt werden, daß sie sich zu einer solchen Kontrolle bereit erklären und übernehmen. Dadurch soll dem deutschen Volk klargemacht werden, daß die Verantwortung für die Verwaltung solcher Kontrollen und jedweder Zusammenbruch dieser Kontrollen an ihnen selbst liegt. (Betonung hinzugefügt)
Dies war der feige Weg, auf dem wir die Deutschen sich selbst regieren ließen.
Natürlich hofften wir, daß z.B., indem wir die Entnazifizierung sogenannten "deutschen" Anklägern und Gerichten übertrugen, die unter unserem Mandat eingerichtet und geführt wurden, wir den Deutschen selbst die Schuld an den verheerenden Auswirkungen zuschieben konnten.
Wir haben gesagt, daß es demokratisch sei, die Deutschen selbst ihre eigene Säuberung durchführen zu lassen, was darauf hinausläuft, die russischen Säuberungen als demokratisch zu akzeptieren. Aber solche Säuberungen waren zumindest russische Angelegenheiten. Der deutsche Säuberungsapparat wird von Kommunisten und radikalen marxistischen Sozialisten gelenkt, die von einer fremden Diktatur eingesetzt wurden und die Deutschen nicht mehr repräsentieren, als Quislings Naziregierung die Norweger. Die Deutschen wissen sehr genau, daß, was immer unsere Marionetten tun, es unser Wille und dictum ist. Wenn wir sie irgendwie davon überzeugen wollten, daß es das ist, was wir mit Demokratie meinen und die wir ihnen aufgezwungen haben, könnten wir es ihnen kaum übelnehmen, wenn sie es bei der ersten Gelegenheit ablehnen würden.
Unsere Militärregierung ist alles andere als demokratisch, ausgenommen im russischen Sinne. Sie wird von gut ausgebildeten Militärs geführt, die kompetent sind, militärische Aufgaben und Befehle auszuführen, die sie von Washington erhalten und die von Politikern und von Leuten ausgearbeitet wurden, die hinter den Kulissen arbeiten. Anstatt ein demokratisches Organ von freien Amerikanern zu sein, sind sie Befehlsempfänger, die bereit sind, was immer sie an Weisungen von oben erhalten, ohne Fragen zu stellen auszuführen. Sie sind in dieser Hinsicht identisch mit Hitlers loyaler Hierarchie von Handlangern für Hinrichtungen.
Unsere Besatzungstruppen waren ausgezeichnete amerikanische Jungs, jedoch zum größten Teil junge, unerfahrene Eingezogene im Alter von unter 20 Jahren, von denen man weder erwarten konnte, daß sie Gefallen an ihrer Aufgabe hatten, noch deren Wesen begriffen. Das ganze Erlebnis hat dazu geführt, sie korrupt und brutal zu machen. Wie bereits vorher erwähnt, unser Einsatz von unverhältnismäßig vielen schwarzen Truppen hat dazu beigetragen, uns die Deutschen zu entfremden und unsere eigenes Personal zu empören.
Zusammen mit den militärischen Streitkräften haben wir ein Korps hochbezahlter Zivilangestellten hinübergeschickt, das zum großen Teil aus Leuten besteht, die zu Hause im sozialen und wirtschaftlichen Wettkampf versagt haben, in einigen Fällen zusammengebrochene, entlassene Offiziere, die den harten Kampf in Frankreich und Italien nicht aushalten konnten oder die den Verdruß hatten, als Versager nach Hause zurückgeschickt zu werden bevor der Krieg zu Ende war und die nun in Friedenszeiten höher bezahlt werden als jemals zuvor in ihrem Leben, und denen es jetzt Freude macht, in aufgeblasenem Eigendünkel vor niederen Rängen zu stehen, welche jedoch meist vornehme, kultivierte Personen mit mehr Substanz sind, die sich nun unter deren Befehl befinden.
Diese kunterbunte Mannschaft, hat zum größten Teil keine gründliche Kenntnis über europäische und insbesondere deutsche Verhältnisse, Sitten und Gebräuche, Probleme oder Geschichte, sondern war nur hastig eingezogen und oberflächlich für die außergewöhnlich anspruchsvolle Aufgabe ausgebildet worden.
Wenn auch die Umstände es nicht möglich machen, daß die Gruppe der Zivilangestellten als ganzes das Beste, das es in Amerika gibt, repräsentieren würde, gibt es glücklicherweise einige bemerkenswerte Ausnahmen. Oft unter großen persönlichen Opfern, sind einige sehr fähige, gut informierte, pflichtbewußte Experten und Spezialisten hinübergegangen und haben durch ihren Einfluß und ihre Bemühungen dabei geholfen, die schwierige Situation zu mildern. Diesen ausgezeichneten Exemplaren unserer freien Institutionen gebührt der Löwenanteil an dem Erfolg, den auch immer die AMG (Amerikanische Militärregierung) gehabt haben mag. Weil man von Männern der Armee, wenn sie als solche auch kompetent sein mögen, nicht erwarten kann, größere Operationen in einer gelähmten ausländischen Wirtschaft und einem sozialen System zu bewältigen und durchzuführen, ohne ein Chaos zu schaffen. Wenn die Armee der Aufgabe nicht gewachsen war, relativ einfache Dinge zu tun, wie Eisenbahnverkehr zu regeln und Versandhäuser in Amerika einzurichten, war sie ganz bestimmt nicht der Aufgabe gewachsen, die ihr in Deutschland übertragen wurde.
Potsdam hat uns ein Programm aufgezwungen, das unserer fundamentalen Überzeugung und Philosophie zuwiderläuft. Die Militärs, die die AMG leiten, glauben allgemein, daß, je weniger die Regierung sich in Geschäftsangelegenheiten einmischt, es um so besser für jeden ist, Deutschland ausgenommen. Und sie stehen Kollektivismus gelassen gegenüber, nur nicht in Deutschland. Wenn sie auch einen Krieg führten, um die Diktatur zu zerstören, sind sie bereit, selbst eine solche zu sein und fast vollkommene Kontrolle über das Leben des einzelnen Deutschen auszuüben. Nichts geschieht ohne ihre Erlaubnis.
Zonale Herrschaft über das wirtschaftliche, politische und kulturelle Leben des deutschen Volkes, wie in Potsdam befohlen, könnte mit einem gewissen Erfolg nur von Männern ausgeübt werden, die lange Erfahrung in totalitärer Philosophie und Methodik haben. Und in dieser Beziehung erfreuen sich die Beamten in der russischen Zone eines großen Vorteils. So wie die Bestimmungen von Potsdam unserem Hintergrund, unserer Ausbildung und unserer Philosophie fremd sind, stimmen sie vollkommen überein mit der russischen Praxis zu Hause. Solche Bestimmungen können kein freies Unternehmertum in Deutschland entwickeln; es kann nur eine Form kollektiver Gesellschaft daraus erwachsen.
Dies sind Punkte von äußerster Wichtigkeit in der Rivalität zwischen Sowjet-Rußland und den Westmächten bei der endgültigen Kontrolle des Deutschen Reiches.
"Umerziehung"
Viele begeisterte Befürworter des Potsdamer Abkommens sind äußerst verstimmt über kommunistische Pläne, im Reich die Macht zu übernehmen. Sie haben kein Recht verstimmt zu sein, weil die erste Unterschrift auf dem Dokument die von Joseph Stalin ist. Die Russen haben daher das gleiche Recht wie wir, die Bedeutung seiner losen und nicht definierten Bedingungen festzulegen. Wenn Potsdam eine Demokratisierung des Reiches vorsieht, ohne genau zu spezifizieren, was mit "Demokratie" gemeint ist, haben die Sowjets vollkommen recht, darauf zu bestehen, daß die Anordnung von einer Kommunisierung spricht. Und das ist nur eine der bösartigen Merkmale des "Umerziehungsprogramms."
Potsdam ordnet im Zusammenhang mit der Entnazifizierung an, daß die abgesetzten Nazis "durch Personen ersetzt werden sollen, die durch ihre politischen und moralischen Eigenschaften geeignet erscheinen, bei der Entwicklung echter demokratischer Einrichtungen in Deutschland mitzuhelfen." Es werden aber keine Hinweise darauf gegeben, was diese "echten demokratischen Einrichtungen" sein könnten. Es verbietet Verbreitung von nationalsozialistischen Ideen, ohne festzulegen, was diese sind, und sieht dann vor, daß "die deutsche Ausbildung so kontrolliert werden soll, daß Nazi- und militaristische Lehren ausgeschaltet werden und die erfolgreiche Entwicklung demokratischer Ideen ermöglicht wird," wieder ohne Definition.
Jedoch Verbreitung und Diskussion einer politischen Philosophie und die Öffentlichkeit zu zwingen, eine andere zu akzeptieren, die von denen, die in den Machtpositionen sitzen, ist Nazi-Doktrin. Es ist auch kommunistische Doktrin. Und die Kommunisten behaupten, daß ihre die einzige echte Demokratie ist.
Politische Demokratie, sagen die Bolschewiken, ist auf lange Sicht unmöglich ohne "wirtschaftliche Demokratie," womit sie die Abschaffung privaten Besitzes meinen, die Grundlage freien Unternehmertums. Sie aber bezeichnen freies Unternehmertum als Faschismus und die Verteidiger des amerikanischen Systems als Faschisten. Die Entnazifizierung bedeutet darum in russischen Augen, unser eigenes System zusammen mit allen anderen Arten von Privatbesitz mit der Wurzel auszureißen.
Die Bolschewiken bezeichnen jedes Land oder jede Partei als faschistisch, die für Maßnahmen eintreten, die die Tätigkeiten kommunistischer Parteien einschränken; diejenigen, die dem Kommunismus erlauben sich frei zu bewegen und sie zu zerstören und eine kommunistische Weltgemeinschaft aufbauen, werden "Demokratien" genannt. Und so kann Potsdam als "demokratisches" Dokument betrachtet werden.
Diese Tatsachen waren bekannt oder hätten allen Hauptpersonen in Potsdam bekannt gewesen sein sollen. Als Rußland erlaubt wurde, das Abkommen ohne klare Definition dessen, was mit "Demokratie" gemeint war, zu unterzeichnen, sind wir in eine gefährliche Falle gegangen, aus der wir nicht herauskönnen, es sei denn, wir erkennen das Abkommen, das wir unterzeichnet haben, nicht an. Bei der ganzen Sache sehen wir ganz schön dumm aus.
Wenn wir mit Demokratie unseren Weg zu leben meinen - freies Unternehmertum, Privatbesitz, Freiheit des Einzelnen, den in der Bill of Rights garantierten Schutz und Regierung des, durch und für das Volk - hätte es uns gleich zu Beginn klar gewesen sein müssen, daß das Programm, eine Demokratie mit Gewalt zu errichten, von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Wir hätten logischerweise hoffen können, den Hitlerismus durch hitlerische Methoden auszutreiben, aber wir hätten bestimmt nicht auf diese Weise unsere Art zu leben einführen können.
Unsere Intoleranz der politischen Naziansichten, wie auch immer sie gerechtfertigt gewesen sein mag, ist trotzdem das Gegenteil von Demokratie im amerikanischen Sinne. Unsere Entschlossenheit, die Ideen mit Gewalt auszureißen, war eine Zurückweisung der heiligsten Glaubenssätze der Demokratie. Menschen, die wirklich an Gedankenfreiheit und Meinungsfreiheit glauben, benutzen an der Debattierfront keine Knüppel. Wir verachteten Hitler, weil er, wie von den Nazis vorgeschrieben, Bücher verbrennen ließ, nicht weil wir bezüglich bestimmter davon betroffener Bücher unbedingt voreingenommen gewesen wären, sondern aus Prinzip. Wir haben jedoch dieses Prinzip selbst verletzt und haben dasjenige Hitlers angenommen, als wir die Nazibücher verbrannten. Wir verurteilen Hitler mit Worten, entlasten ihn jedoch durch Taten!
Durch die lange Propaganda wurde der Eindruck erweckt, daß die nationalsozialistischen Lehren offensichtlich böse und verbrecherisch waren, daß sie, zum Beispiel, offen einen Angriffskrieg und die Welt erobern wollten. Das stimmt nicht. Wie die Plattform jeder politischen Partei, die bei den Wahlen Unterstützung haben will, waren ihre Planken recht harmlos. In Wirklichkeit wurde der Nazismus und was er tat, von vielen ausländischen bedeutenden Persönlichkeiten, wie Lloyd George und Winston Churchill, gelobt. Wenn befragt, sagten 51 Prozent unserer eigenen GIs, die in Deutschland stationiert waren, daß sie glaubten, daß Hitler "dem Reich vor 1939 viel Gutes getan habe," und 19 Prozent davon glaubten, "daß die Deutschen einige oder viele Gründe zur Rechtfertigung hatten, den Krieg zu beginnen." "Es zeigte, daß ein großer Prozentsatz der Soldaten bereit war, die deutschen Erklärungen zu akzeptieren und die Masse der Deutschen von der Verantwortung für die Grausamkeiten in den Konzentrationslagern freizusprechen." ""29 Prozent gaben zu, daß sie ihren früheren Gegnern gegenüber 'günstiger eingestellt waren', seit sie im Lande waren."[1]
Es war für aufrichtige, intelligente, pflichtbewußte deutsche Bürger durchaus möglich, Parteimitglieder zu sein und sogar Enthusiasten. Wenn wir es anders sehen, so zeigen wir nur unsere Ignoranz und unsere Leichtgläubigkeit Propaganda gegenüber. Nazismus war in vielen fundamentalen Hinsichten falsch, und diese Punkte sollten aufgezeigt werden. Den Deutschen sollte gezeigt werden, wo diese Ideen im Prinzip falsch und gefährlich waren. Sie sollten als allgemeine Prinzipien bezeichnet werden, denen man begegnen muß, ganz gleich, wer sie verfolgt, sogar wenn sie Kommunisten sind. Und es sollte durch eine freie unzensierte Debatte erfolgen. Ganz bestimmt kann nichts gewonnen werden, wenn man das Thema als nicht diskutabel bezeichnet.
Die Nazis waren im Irrtum, als sie die Schulen einbezogen und die Entfernung bestimmter Ideen und Texte forderten und die Übernahme bestimmter anderer verlangten. Es war im Prinzip ein Fehler. Und so ist es bei uns, wenn wir den Deutschen unsere Ideen und Textbücher aufzwingen. Wir sind um so mehr im Unrecht, als wir Außenstehende sind, wogegen die Nazis zumindest Deutsche waren. Die Nazis waren im Unrecht, als sie die deutsche Presse strikt zensierten. Und so sind wir. Wir können in Deutschland keine freie Presse durch strenge Zensur erhalten, und wir würden sehr töricht dastehen, wenn wir es versuchen würden.
Verfolgung von Menschen wegen ihres Blutes ist beklagenswert - ob es von den Deutschen oder gegen sie praktiziert wird. Verfolgung resultiert aus Haß und wird durch Haßverbreiter angestachelt. Walter Mitchell hat gesagt, wir sollen die Deutschen hassen. "Zukünftige deutsche Generationen sollen sie sehen (deutsche Monumente) und herausfinden, aus welchem Blut sie geboren sind," schrieb er ein Jahr nach der deutschen Kapitulation. "Wenn sie aufwachsen können zwischen Erinnerungen an das, was es bedeutet, ein Ungeheuer zu sein, werden sie sich vielleicht mehr bemühen, in die menschliche Rasse zurückzukehren."[2] Ähnlich sprach Außenminister Byrnes zu den Deutschen in Stuttgart, und die Abteilung für Information und Ausbildung der U.S. Armee in Europa rief immer noch dazu auf, das deutsche Volk zu hassen. In einem Pamphlet wird gesagt:
Mitgefühl für die Deutschen zu haben, ist der psychologischen Reaktion ähnlich, die wir einem hübschen Mädchen gegenüber haben, das kaltblütig seinen Vater ermordet hat, weil wir zögern, jemanden, der so hübsch und freundlich aussieht, als eine Mörderin zu verurteilen.
Die Deutschen verhielten sich in ihrer Haßverbreitung nicht weniger an das christliche "Liebe deinen Feind."
Die Deutschen belasteten mit der scheußlichen und nicht zu verteidigenden Doktrin von Kollektivschuld ein ganzes Volk, das sie als Todfeind ansahen. Das war eines ihrer größten Verbrechen. Wir haben das gleiche Verbrechen begangen, als wir dieselbe Doktrin gegen das deutsche Volk anwandten, eingeschlossen ungeborene Kinder. Vielleicht ist der Grund, aus dem wir verbieten über den Nazismus zu diskutieren, daß wir versäumt haben, seine Merkmale aufzuführen und versucht haben, ihn mit Gewalt zu zerstören, was darauf zurückführen ist, daß wir unbewußt seit 1932 seine schlimmsten Merkmale übernommen haben, ohne sie genau zu kennen.[3]
Und so gehen wir ungeniert unseren Weg und versuchen den Nazismus auszutreiben, während wir ihn selbst praktizieren. Schon das Austreiben ist Nazi-ähnlich.
Wir kamen als Befreier, um die Deutschen zu lehren, wie sie Selbstregierung und politische Freiheit genießen könnten. Wir haben ihnen jedoch unsere Entnazifizierungsbestimmungen aufgezwungen, die sie so in Angst versetzen, daß sie es ablehnen, sich an Politik zu beteiligen, aus Furcht vor den möglichen Konsequenzen unter unserer "demokratischen" Kontrolle. Wir versuchen, ihnen Demokratie beizubringen, haben jedoch das, was sie lehren soll, so umschrieben, daß ihre Lehrer, es sei denn, sie sind Kommunisten, zu ängstlich sind, überhaupt etwas zu sagen. Die deutschen Führer haben politisch nicht die Erlaubnis, frei zu sprechen, und sogar diejenigen in unserer Militärregierung sind - aus Furcht vor den Konsequenzen - zu ängstlich zu sagen, was sie denken. Wegen unserer undemokratischen Politik im Hinblick auf die Pressefreiheit, die wir predigen, während wir sie in der Praxis verletzen, arbeitet die deutsche Presse in einem luftleeren Raum. Intellektueller Hunger ist in Deutschland fast ebenso akut wie physischer Hunger.
Aber mehr als alles andere, ist unser Justizsystem brutal und höchst diskriminierend geworden. Wir haben drei verschiedene Arten von Gesetzen, eines für die Streitkräfte, eines für Displaced Persons und eines für die deutsche Bevölkerung, aber in keinem bemüht man sich, Strafen zu verhängen, die den Verbrechen angemessen sind. Zum Beispiel wurde eine verwitwete deutsche Mutter mit zwei kleinen Kindern für fünf Monate ins Gefängnis geschickt, weil sie ein Fallschirmmesser in Besitz hatte, das ihr als Trophäe und Erinnerung von ihrem Mann gegeben worden war, kurz bevor er über Britannien abgeschossen wurde.[4] Das ist typisch und keine Ausnahme. Diese "demokratische Gerechtigkeit" läßt die Deutschen schaudern. Während wir Gesetz und Ordnung predigen, verhätscheln und geben wir "Displaced Persons" besondere Privilegien, die, AMG-Offizieren zufolge, für 50 Prozent der Verbrechen in der amerikanischen Zone verantwortlich waren.[5]
Während wir Demokratie predigen, haben wir uns als eine fremde Plutokratie niedergelassen, in der viele Mitglieder auf dem Schwarzen Markt handeln und andere dunkle Geschäfte nicht für unter ihrer Würde halten. Während die Deutschen um sie herum verhungern, Lumpen tragen und in Löchern wohnen, lebt die amerikanische Aristokratie oft in ungewohnter Bequemlichkeit und Luxus. Ihre Frauen müssen besonders gekennzeichnet werden, um sie vor unzüchtigen Annäherungen zu schützen; sie leben in den schönsten Wohnungen, aus denen sie die Deutschen vertrieben haben; sie stolzieren in feiner Kleidung herum und schlemmen an Nahrungsmitteln, die dreimal so viel sind, wie die, die sie den Deutschen zugestehen, und geben "Displaced Persons" zweimal so viel. Wenn wir den Deutschen erzählen, daß ihre niedrigen Rationen daher rühren, weil nicht genügend Nahrungsmittel vorhanden sind, denken die natürlich, daß wir entweder lügen oder sehen uns als unmenschlich an, weil wir den Löwenanteil von der geringen Zuteilung nehmen und ihre Kinder verhungern lassen.
Wir haben uns auf viele Weise den Leiden der Besiegten gegenüber gefühllos benommen. Der Krieg hinterließ unzählige Kriegsversehrte, manche ohne Arme, Beine, Augen oder auf andere Weise entstellt. Diese und die Millionen, die im Kampf gefallen sind oder als Kriegsgefangene zurückgehalten werden, haben Millionen von Abhängigen, alte Eltern, Frauen und Kinder. Zusätzlich sind da die Massen von verarmten, leidenden Vertriebenen aus dem Osten. Aber die alles überragenden Notwendigkeiten all dieser Millionen hilfloser Deutscher, fanden nur geringe Erwägung im Verhältnis zur Ernährung und Unterbringung der Displaced Persons. Sie erhalten nur wenige Nachrichten von ihren Lieben, die als Kriegsgefangene in England, Frankreich und anderen westlichen Ländern festgehalten werden, und keine aus Rußland. Noch hat der Alliierte Kontrollrat bisher eine vollständige Liste entweder der Kriegstoten oder der Kriegsgefangenen herausgegeben. Tausende werden immer noch in unnötiger, qualvoller Ungewißheit gehalten und fragen sich, ob ihre Väter und Brüder, die im Krieg waren, noch leben oder tot sind. Wie eine deutsche Mutter sagte: "Schon ein bißchen Mitgefühl würde helfen. Ich habe von meinem Sohn schon seit länger als einem Jahr nichts gehört. Wenn ich wüßte, daß er tot wäre, könnte ich darüber hinwegkommen."
Dies ist der Weg, das Gegenteil von Demokratie zu lehren. Wenn die Deutschen jemals daran festhalten sollen, müssen sie das freiwillig tun, durch Überzeugung, nicht durch Zwang. Durch unser Verhalten machen wir es ihnen unmöglich, eine Überzeugung zu gewinnen. Im Lichte dessen, was sie unter unserer Kontrolle durchmachen müssen und wegen unserer Praktiken und Schwächen, werden sie nicht leicht zu dem Schluß kommen, so wie wir es gern sähen, daß Hitlerismus einmalig brutal, unterdrückend oder unlauter ist.
Eine der Hauptschwierigkeiten ist die Tatsache, daß unsere Demokratie einem Paradoxon gegenübersteht, für das es fast unmöglich ist, eine Lösung zu finden. Weit davon entfernt, ihr ins Auge zu sehen oder sie zu lösen, haben wir sie einfach nicht wahrgenommen. Und diejenigen, die wir versuchen wollen, für die demokratischen Prinzipien zu gewinnen, sehen unsere Blindheit und verlieren die Achtung vor denen, die ihre Lehrer sein wollen. Wir müssen früher oder später zu einem Entschluß kommen, ob Demokratie stark genug ist, die Verbreitung demokratie-vernichtender Lehren zu tolerieren oder, wenn nicht, wie sie diese stoppen und trotzdem eine Demokratie bleiben kann.
Wenn das, was wir in Deutschland gegen den Nazismus tun, richtig ist, dann ist das, was wir hier zu Hause mit dem Kommunismus machen, falsch. Wenn wir dort den Nazismus zertreten müssen, müssen wir auch hier den Kommunismus zertreten; wenn wir im Namen von Demokratie und Meinungsfreiheit die Verbreitung der kommunistischen Lehre und die Tätigkeit der kommunistischen Fünften Kolonne hier tolerieren können, müßten wir den Nazismus drüben mit der gleichen Freundlichkeit behandeln. Weil der eine genau so schlimm ist wie der andere.
Anmerkungen
[1] | Associated Press, Wiesbaden, Deutschland, 24. Jan. 1946, The Chicago Sun und Chicago Daily News Jan. 1946 |
[2] | Walter Winchell (tägl. Kolumne), San Franzisko, 4. Mai 1946 |
[3] | Prof. Friedrich Hayek, The Road to Serfdom [Der Weg in die Knechtschaft] (University of Chicago Press, 1944), S. 184 |
[4] | Larry Rue, München, Deutschland, 10. Juli 1946, Chicago Tribune Press Service |
[5] | Larry Rue, München, Deutschland, 6. Juli 1946, " " " |
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