Immer bestrebt, die Herde seiner Argumente zusammenzuhalten, meint Pressac, von >>Sonderaktion<< (ein Wort, mit dem in der Militär-- und Verwaltungssprache jener Zeit nahezu alles und jedes gemeint sein konnte) sei gesprochen worden, um von Berlin die Genehmigung zum Bau des Krematoriums III zu erhalten, welches laut Pressac einer >>vocation sanitaire<<, also hygienischen Zwecken diente. Indem sie dieses Wort verwendeten, hätten die Schlauköpfe der SS in Berlin glauben lassen, daß dieses Krematorium für die Vernichtung der Juden gebraucht würde, während es doch ganz normalen Bedürfnissen des Lagers entsprach. Eine gewiß kunstvolle Kombination - vielleicht hätte sich Pressac statt auf der Militärakademie von Saint- Cyr bei den Kunstreitern von Saumur bewerben sollen.

Mit den Open- Air- Verbrennungen, die Pressac Gelegenheit zu harscher Kritik am Bericht von Höß geben (S. 58), will ich mich nicht weiter aufhalten und nur darauf hinweisen, daß Pressac hier die Zahl von 50.000 Leichen, die während zweier Monate verbrannt worden sein sollen, erfindet; ein Kalkül, das sich auf eine Angabe >>getötete Juden während des Sommers<< stützt, welche er allenfalls dem >>Kalendarium<< entnommen haben kann, das er an dieser Stelle aber nicht anführt. Um die 100.000 Kubikmeter Holz, die hierfür (mindestens) nötig gewesen wären und irgendwelche Spuren in den Archiven hätten hinterlassen müssen, macht er sich keine Sorgen. Es ist bekannt, daß Pressac mit dem Auschwitzthema in Berührung kam, weil er einen Roman schreiben wollte, von dem einige Szenen dort angesiedelt sein sollten. Man weiß auch, daß diese romanesken Anfälle rund um Auschwitz schon mehrere Bücher verursachten. Pressacs dichterische Berufung kommt immer mal wieder an die Oberfläche, so zum Beispiel auf Seite 65, wo Pressac Gespräche zwischen Ingenieuren und der Firmenleitung von Topf & Söhne - jenem Unternehmen, das die Öfen für die Krematorien gebaut hat - schlicht und einfach erfindet. Auch die folgenden Seiten sind wahrscheinlich jenem unbekannten Roman entnommen, denn Pressac, der Apotheker aus der Vorstadt, schlüpft in die Haut der schrecklichen SS, die nach einem Weg zur rationellen Vergasung sucht. Die Einzelheiten kommen dann auch nicht aus den Archiven, sondern von einem gewissen Tauber, einem von Pressac hochgeschätzten Zeugen (Anmerkung 203).

Auch wenn er die >>erste Vergasung auf industrieller Stufenleiter<< behandelt (im Krematorium II), bezieht er sich nicht auf die Archive, sondern auf das >>Kalendarium<< und auf den Zeugen Tauber (Seite 73/74). Auch die zweite Vergasung stützt sich auf das >>Kalendarium<< (S. 77).

Muß ich fortfahren? Ich denke, die Technik der Injektion ist verstanden. Man muß immer ein Auge bei den Anmerkungen haben, um dem Wechsel der verschiedenen Ebenen der Erzählung folgen zu können. Dies bliebe immer noch ein annehmbares Verfahren, wenn die Quellen vergleichbar wären. Aber das >>Kalendarium<< wird von den Historikern schon seit langem nur noch mit spitzen Fingern angefaßt. Pressac selbst sagt darüber:

>>Danuta Czechs Arbeit bietet, indem sie manchen Zeugenaussagen auf Kosten anderer Gewicht beimißt, ohne dies zu erklären, Anlaß zur Kritik. Diese besondere Ausrichtung der Geschichtsdarstellung, die mit der dritten Ausgabe des "Kalendarium " [...] von Czech fortgefahrt wird, welche eben auf polnisch erschien, und den Aktenbestand in den Moskauer Archiven noch nicht berücksichtigt, schränkt den Wahrheitsgehalt dieses grundlegenden, unglücklicherweise ein wenig zu sehr aus dem Blickwinkel der politisch angespannten 60er Jahre geschriebenen Werkes stark ein.<< (Anmerkung 107, S. 101)

Was Pressac nun wirklich sagen will, weiß Gott allein. Für viele Menschen aber ist das eine Arbeit, die direkt vom Auschwitz- Museum herkommt, das der Nutzung von Auschwitz als Instrument des russisch- polnischen Stalinismus - um zur Zeit des kalten Krieges die Sympathien der Antifaschisten im Westen zurückzugewinnen - entspricht. Was die von der Bewußtseinsindustrie hergestellten >>Zeugnisse<< wert sind, ist hinreichend bekannt. Würde Pressac dieser Art von Quellen vertrauen, wäre es nur logisch, sie zu verwenden. Indes tut er äußerstes Mißtrauen kund, stützt aber seinen Bericht über die Vergasungen ausschließlich auf jene, von ihm selbst als von sehr beschränktem Wert beurteilten Quellen. Diese Geschichten sind schon tausendfach veröffentlicht worden. Die ihnen eigenen Schwachstellen haben mit Paul Rassinier den Revisionismus hervorgebracht. [6] Wenn er diese wieder aufnimmt - so wie sie sind, oder mit ein paar kosmetischen Korrekturen -, bleiben große Widersprüche, paßt vieles nicht. Vielleicht ist das der Stoff, aus dem die >>Geschichten eines Apothekers<< gemacht sind?

Das Ungeheuerlichste aber ist es, glauben zu machen, das Buch von Pressac wäre von Zeugenaussagen vollkommen frei. Er selbst sagt es den Journalisten mit Nachdruck. Und die schlucken es; denn sie vertrauen dem Kommentar mehr als dem Text selbst. Indem er den Rückgriff auf die abgetragensten Stücke aus dem polnisch- stalinistischen Fundus in seinen Anmerkungen geschickt verbirgt, kann Pressac als jemand gelten, der den Revisionisten auf ihrem ureigensten Gebiet - jenem der überprüfbaren Tatsachen, falls man akzeptiert, daß die heute gültigen physikalischen Gesetze auch 1944/45 wirksam waren - antwortet.

Was den Katalog der Nichtübereinstimmung betrifft, so sei hier vermerkt, daß ich es sorgsam vermieden habe, frühere Schriften Pressacs mit der soeben erschienenen zu vergleichen. Aber es ist klar, daß andere Leser weniger nachsichtig sein könnten und sich eventuell den bösen Spaß machen, Variationen, Kehrtwendungen und Schrittwechsel der verschiedensten Art, die solch eine Lektüre an den Tag bringt, aufzudecken. Auf jeden Fall wird man sich fragen: what next?

Ich erspare dem Leser auch die Wiedergabe der Auseinandersetzung um einen zentralen Aspekt der Diskussion, die sich der Bestimmung der realen Kapazität der Krematorien, deren Leistungsdaten (das ist genau das Wort, das man für eine Industrieanlage gebraucht) widmet. Es versteht sich, daß bezüglich der Leistungsdaten eine Differenz zwischen den Angaben der Verkäufer von der Firma Topf & Söhne und der im tatsächlichen Betrieb mit allen Pannen, Fabrikations-- und Planungsfehlern erreichten Grössen besteht. Pressac aber schert sich um realistische Zahlen nicht besonders und hält die Leser, wenn er für die Krematorien II und III eine Kapazität von 1.000 Kremierungen pro Tag schätzt, zum Narren. Selbst in modemen Anlagen kommt man aufnicht mehr als 5 bis 7 Verbrennungen pro Tag und Muffel. Wenn man für die größte der Anlagen, das Krematorium II mit 15 Muffeln, eine Verdreifachung oder Vervierfachung der Taktiolge annimmt, so kommt man auf 300 Körper pro Tag, - bei dem Risiko eines entsprechend hohen Verschleißes. Auf diesem Feld der Technik enthält Pressac sich aller Ausflüge. Und meint im übrigen, daß es sich bei diesen Angaben um (von der SS gegenüber Berlin) geschönte Zahlen handelt; gleichwohl seien sie verwendbar. Pressac hütet sich, in diesem Buch wieder die in dem vorhergehenden, bei Klarsfeld Follies veröffentlichten Werk genannten Zahlen anzugeben, in denen er den Kohlebedarf der Krematorien nach unten rechnete. Ist es doch einigermaßen schwierig, zu glauben, daß zwei oder drei Kilogramm Kohle für die Verbrennung eines Körpers genügen sollten. Sollte er in Moskau weitere Rechnungen gefunden haben, die seine Schätzungen etwas weniger unwahrscheinlich machten, so hätte er uns das gewiß mitgeteilt.

Derart makaber buchgehalten wird in dem Text nur gelegentlich. Das ändert sich erst mit dem Anhang 2, S. 144 bis 148, >>Die Zahl der Toten im KL Auschwitz- Birkenau<<, wo Pressac sich wie in einem Prokustesbett fühlt: Die Schätzung der Einäscherungskapazität der Krematorien berechtigt ihn, die in den >>Zeugnissen<< des >>Kalendarium<< genannten Zahlen etwas abzuschleifen und ohne weitere Umstände zu erklären, es habe entweder weniger Transporte gegeben, oder jene hätten weniger Menschen umfatt. Als ob die Ankunft der Transporte letztendlich vom technischen Zustand der Krematorien abhängig gewesen wäre. Eine absurde Vorstellung. Was in der Folge dieses Ansatzes sonst noch alles nicht zusammenpaßt, lasse ich hier beiseite. Hinsichtlich der ungarischen Juden, für die schon Rassinier das zwangsläufig Unrichtige der polnisch/offiziellen Quellen nachgewiesen hatte, verwirft Pressac die entsprechenden Hirngespinste Wellers. Und teilt uns so nebenher mit, daß sich in Israel, in Yad Vashem, ein Verzeichnis mit den Namen von 50.000 Juden befände, die über Auschwitz nach Stutthof gelangt sind (und, da in Auschwitz angekommen, aber dort nicht registriert, üblicherweise als >>vergast<< betrachtet werden); es sei hier noch Forschungsarbeit zu leisten. Hinsichtlich der Deportationen polnischer Juden spricht er >>vom Hypothetischen dieser Frage infolge mangelnder Dokumentation<<.

Aber um auf die ungarischen Juden zurückzukommen: Pressac bringt sich in eine unhaltbare Lage. Beispielsweise akzeptiert er die Berichte über die Verbrennungsgruben, deren Unstimmigkeit aus den Luftaufnahmen der Alliierten, die zu der fraglichen Zeit das Lager mit allen Einzelheiten fotografiert hatten, hervorgeht. Denn die theoretische Verbrennungskapazität muß sich entsprechend erhöht haben, wenn man in Auschwitz schließlich 438.000 ungarische Juden ankommen läßt (das wären mehr als das Zweifache der bisherigen Belegung). Pressac kalkuliert also ziemlich abstrakt, die SS habe innerhalb von 70 Tagen 300.000 Menschen umbringen können (S. 148). Aber dann stellt sich die Frage, wo die 300.000 Menschen, tot oder lebendig, während dieser zwei Monate, der für die Einäscherung benötigten Zeit, verblieben sein sollten.

Pressac kam in der französischen Ausgabe seines Buches auf eine Zahl von 630.000, die im Gas umgekomrnen sein sollen. In der deutschen Ausgabe reduzierte er die Zahl weiter auf 470.000 bis 550.000. [7] Die Millionen Toten von Auschwitz sind keine Millionen mehr. Vor einigen Jahren haben die Polen ihre Zahlen gesenkt. Hilberg hat seine Zahlen gesenkt. Bédarida hat seine Zahlen gesenkt. Pressac senkt diese gleich zweimal weiter ab. Aber unter uns gefragt: Aus welchen Gründen und auf welche Weise reduziert man derartige Zahlen? Weiß man irgendetwas mehr? Keineswegs. Man pokert nur ein wenig anders. Pressac, der in gewisser Weise verschlagen, vor allem aber über alle Maßen naiv ist, zeigt uns, wie man spekuliert. Da es sich bei den Ausgangsdaten meist um Schätzungen handelt, werden diese variiert. Wellers >>belädt<< seine polnischen Züge mit 5.000 Menschen, was Hilberg nicht gefällt, ihm sind 5.000 zu viel. Also bucht er 2.000. Bei 120 Transporten gibt das eine respektable Differenz. Pressac gelangt nicht über die Eisenbahntechnik zu dem, was ihm nicht gefällt; er macht es thanatotechnisch. [8] Und senkt dabei die Transportstärke auf 1.000 bis 1.500 (Seite 146 bis 147). Wenn er eines Tages bemerkt, daß seine Schätzungen der Kremierungskapazitäten Phantasterei und die Freiluftverbrennungen vom Flugzeug aus sichtbar sind, wird er seine Preise nochmals senken. Keine dieser Kalkulationen (beruft) sich auf ein Archiv. Das ist ins Blaue hinein gerechnet; man ist immer nur der Nase nach gegangen. Und wenn diese Zahlen jetzt geändert werden, so nicht, weil man Ordnung in die Akten bringen will, sondern weil der Zeitgeist aus einer anderen Richtung weht und man diesen erschnuppert hat.

(Sleipnir no 5)

Die Haltung der Presse ist meiner Meinung nach - wie immer in den nun fünfzehn Jahren, seit Faurissons Thesen in der Öffentlichkeit sind - der interessanteste Punkt. Deren Rolle ist bei dem Versuch, das öffentliche Bewußtsein zu produzieren, bestimmend. In der Tat ist, um sich ein einigermaßen sicheres Urteil zu verschaffen -und dies zu einer Zeit, da das letzte Licht noch längst nicht aufgesteckt ist - eine beträchtliche persönliche Anstrengung erforderlich. Die Journalisten und die >>Fachleute<< fungieren daher gegenüber dem Publikum als Autoritäten, die berufen sind, kraft ihres Wortes Wahres von Falschem zu trennen. Ich habe in zwei Büchern eine Chronik dieser medialen Agitation geliefert, deren letztes Kapitel der gegenwärtige Rummel um das Buch von Pressac ist. [9]

Man muß sagen, daß die Medien nach allen Regeln der Kunst vorgegangen sind. Pressac, der bislang eher im Schatten stand, ist diesmal gefördert worden, als hätten die besten PR- Agenturen sich zu seiner Unterstützung vereinigt. L Express 10 eröffnete den Reigen mit einem ganzseitigen Foto und großen Lettern auf der Frontseite: >>Auschwitz: die Wahrheit<< [11] Der Nouvel Observateur folgt bald darauf mit >>Ein Wochenende in Auschwitz in Begleitung von Pressac<< [12] und der schweren Artillerie der >>besten Fachleute<<. Liberation stößt mit einer Doppelseite, mit weiteren Fotos und Dokumenten dazu. [13 ]Le Monde bringt eine halbe Seite aus der Feder von L. Greilsamer, der die gerichtlichen Auseinandersetzungen um Faurisson seit langem verfolgt. [14] Und auch Radio und Fernsehen lassen die Wogen hochgehen. In Pressacs kleinem Dorf hat man seit dem Hundertjährigen Krieg solche Aufregung nicht mehr erlebt.

>>Ein Werk, das den Historikern der ganzen Welt als Nachweis dienen wird<<, schreibt der Express. Dank der sowjetischen Archive >>ist die erste Zusammenfassung unserer Kenntnisse über eines der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts gelungen<<, meint eben jener Express. [15] Die Besprechung stammt von einem gewissen Conan und einem gewissen Peschanski, Geschöpfe Bédaridas, Forscher am CNRS. [16] Die hohen Kommentatoren bekräftigen, daß die Entscheidung und die Ausführung des >>Judeozides<< (ein neuerdings aufgetauchter Begriff, der noch nicht näher betrachtet wurde) von >>absoluter Geheimhaltung<< umgeben war, wobei gesagt werden muß, daß dieses Geheimnis bis heute nicht gelüftet ist. Warum aber hat man die Archive so lange schlummern lassen?

>>Weil sich ein wichtiger Strom des jüdischen Gedächtnisses der verstandesmäßigen Näherung an die Endlösung, die als "unaussprechbar" und "undenkbar" qualifiziert wurde, widersetzte.<<

Man wünschte, diese Erklärung wäre etwas weniger dunkel ausgefallen, daß Namen und Quellen genannt worden wären, aber beim Express ist man wie immer sehr vorsichtig. Die idyllische Ruhe ist durch die >>Schriften der Leugner<< gestört; diese machten sich daran, >>die logischerweise zahlreichen Fehler in den Berichten der Zeugen und in den sowjetischen Texten aus der Nachkriegszeit, in denen Auschwitz als ein Thema ideologischer Propaganda genutzt wurde<<, aufzuzeigen. Daß alle Ausführungen Pressacs über die Gaskammem unmittelbar auf diese sowjetischen oder polnischen Texte zurückgreifen, ist den Spürnasen vom Express nicht aufgefallen; aber das ist wohl auch zuviel verlangt. Pressac selbst aber hat entdeckt, daß >>die technologische Geschichte der Endlösung noch zu schreiben ist<<. Unmöglich für die blitzgescheiten Joumalisten vom Express, darauf zu kommen, daß der Vater dieser >>Entdeckung<< Professor Faurisson ist. Denn man kann nicht zugeben, daß seit geraumer Zeit jeder Fortschritt auf diesem Gebiet in irgendeiner Weise mit ihm verbunden ist. Den grundlegendsten Prinzipien in der Geschichte der Ideen, so wie sie an der Sorbonne gelehrt werden, muß unbedingt das Lebenslicht ausgeblasen werden, so schaut die intellektuelle Ehre der bedaristischen Fußstapfentreter aus.

Mit seinem 1989 bei der Beate Klarsfeld Foundation in New York erschienenen Werk (Sieh. Anmerk. 2) - Ergebnis seiner Sichtung von wohl 50.000 Dokumenten in polnischen und deutschen Archiven - hat Pressac >>den Weg gebahnt<<. So, wie Pressac und die Klarsfelds es seinerzeit behaupteten, das Problem endgültig gelöst zu haben, war es offenbar nicht. Mit den 80.000 Dokumenten der Sowjets würde man mehr darüber wissen. Immerhin, im Buch von 1989 steht noch vieles über viele Dinge. Hätten die Joumalisten ihre Hausaufgaben gemacht, wäre ihnen aufgefallen, daß der Themenkreis sich 1993 sehr eingeschränkt hat und selbst auf diesem Restgebiet noch viele Behauptungen von 1989 zurückgenommen wurden.

Nachdem wir also an der erstaunlichen Entdeckung haben teilnehmen dürfen, daß die Verwaltung verwaltete, die Bauabteilung Konstruktionspläne entwarf, Kostenvoranschläge und Rechnungen erbat, kommen die subtilen Exegeten zu dem Schluß, Pressac habe >>die Beweise für die Organisation des Mordes aufgefunden<<. Das sind Taschenspielertricks. Pressac, das ist sicher, hält sich im Unverbindlichen. Er behauptet niemals direkt, er habe die >>Beweise<<; er spricht von >>Spuren<< oder >>Indizien<<, die Beweisen gleichkämen. Für Journalisten sind derlei Feinheiten des Ausdrucks offenbar kein Hindernis; und Pressac protestiert nicht. Nicht er ist es, der es gesagt hat - sie waren es. Er kann sich gegenüber ernstzunehmenden Kritikern stets auf diese infantile Position zurückziehen. Denn diese >>Beweise<<, das sind >>präzise Indizien<<, die >>geheime Anweisungen verraten<<; diese Geheimnisse sind dann dermaßen geheim, daß sie nicht einmal existieren: Pressac selbst hat erklärt, es gebe keinerlei Verschlüsselung...

Das lächerlichste auf der Liste der zu Beweisen mutierten Indizien findet sich zwar nicht im Buch, ist aber typisch Pressac:

>>In einer wirklichen Leichenhalle werden Desinfektionsmittel wie Chlorwasser oder Kresol verwendet, nicht aber ein zur Entlausung bestimmter Stoff.<< [17] Der Hausapotheker von Frau Müller ist sich offenbar der Größenordnung der Probleme nicht bewußt: Auf dem Höhopunkt der Typhusepidemie (und die Krematorien sind im Hinblick auf diese sehr gegenwärtige Gefahr errichtet worden) brachte man täglich 250 bis 300 Leichen, [18] deren Körper von Läusen, den Überträgern dieser Krankheit, wimmelte. Stellt er sich vor, man hätte diese einfach so in der Leichenhalle gestapelt, ohne etwas zu unternehmen? Und ein Kommando geschickt, diese mit Chlorwasser oder Kresol zu waschen? Während in allen anderen Einrichtungen, einschließlich der Baracken, Zyklon B gegen die Läuse eingesetzt wurde?

Von diesen Leichenhallen wäre, wenn man nicht etwas unternommen hätte, eine ungeheure Ansteckungsgefahr ausgegangen, es wären geradezu biologische Bomben gewesen. Pressac mit seinem Chlorwasser ist eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Man sollte ihm seine Apothekerlizenz im Hinblick auf derartige Äußerungen wieder wegnehmen. Warum diese Eselei? Weil unter allen Umständen der Eindruck erweckt werden muß, daß einzig in den Leichenkellem der Gebrauch von Zyklon B nicht üblich gewesen wäre. Da der SS die Existenz des Chlorwassers bekannt war, hätte sie - im Namen einer ebenso närrischen wie von der Logik geforderten Verordnung - die Leichenkeller nicht mit Zyklon B entwesen dürfen. [19] Denn die Logik der Geschichte liegt auf einer höheren - und verborgenen - Etage. Hätte die SS Zyklon B zum Schutz des Personals (und zu ihrem eigenen) in den Krematorien eingesetzt, wäre dies, so wie die Krematorien anfangs geplant waren, nur einmal möglich gewesen. Ohne Entlüftung wäre das Gas in den Räumen verblieben. Es war also eine Entlüftung für die halb in der Erde gelegenen Räume notwendig. Und genau das belegt Pressac im einzelnen. Da er aber im voraus, und ohne jede Stützung durch seine umfangreichen Akten (130.000 Dokumente!) entschieden hat, daß in diesen Einrichtungen der Beweis für mörderische Absichten zu erblicken sei, gilt es, jede mögliche andere Interpretation beiseitezuschieben. Deshalb ist das Chlorwasser den beiden Paten vom Express auch so kostbar. Geweihtes Wasser für die Gläubigen. [20]

Die Wannsee- Konferenz wird von den flinken Federn ohne ein Blinzeln beerdigt: Sie schlucken alles, was Pressac sagt, so wie sie vor 5 oder 10 Jahren genau das Gegenteil geschluckt haben. Etwas anderes ist auch nicht zu erwarten, akzeptieren sie doch auch die Idee, zwischen Ende Mai und Anfang Juni 1942 habe ein im Ursprung bislang nicht identifizierter >>politischer Wille<< in den [dank des Herrn Dipl.- Ing. Prüfer] in Auschwitz entwickelten technischen Neuerungen [sehr schlichter Natur, die technisch gesehen - Pressac sagt es - eher einen Rückschritt darstellen] das Mittel für eine industriemäßige Vernichtung erblickt. >>Welch ein Glück!<<, werden sich die hohen Nazis (Wer eigentlich? Himmler selbst?) gesagt haben, und dies dank dieses kleinen Ingenieurs, Vertreter einer Ofenbauerfirma, der für jeden verkauften Ofen Prozente bekam. Hoch lebe Prüfer nun werden wir die Juden töten können. Auch einem nicht unmäßig kritischen Geist fallt es schwer, sich vorzustellen, daß ein >>Völkermord<< sich unter solchen Umständen vollzieht... Für die Historiker vom Express aber hat diese neue Wahrheit ebenso den Charakter einer Offenbarung wie die alte, und bereitet daher als Glaubensangelegenheit keine besonderen Schwierigkeiten.

Sie können somit die von Pressac vorgestellten Zahlenspielereien auch ehrlichen Herzens als >>Berechnungen<< auftischen. Man kommt von 5,5 Millionen Toten (der sowjetischen Zahl von 1945) auf etwa 500.000, ohne zu wissen warum. Conan der Barbar und Peschanski der Gemäßigte sehen zudem voraus, man werde auch die Zahlen der anderen Lager, ebenso wie die Sterblichkeit in den Ghettos, nach unten revidieren. (Haben sie etwa schon ein paar Zahlen im Ärmel?) Das aber habe im Grunde keine alllzu große Bedeutung, fügen sie abschließend hinzu: >>Der Charakter der Endlösung bleibt unverändert<<. Nach meiner persönlichen Kenntnis sind einzig die Dogmen von unveränderlicher Natur. Und selbst die...


Fortsetzung . . .