Der Express bringt einen Aufsatz Bédaridas, des Schutzgewaltigen jenes Buches von Pressac. [21] Bédarida gehört zu einer noch ungenügend erforschten Art von Riesenkraken, die, in der Kultur- Suppe schwimmend, sich mit hoher Geschwindigkeit auf alle Direktorenstühle zubewegen, an welchen sie sich mit ihren Saugnäpfen festhalten. Sich immer in Verteidigungsposition befindend, spritzt er mit Tinte nur so um sich, auf diese Weise die Umgebung vollkommen benebelnd. Als Autor eines bedeutsamen Büchleins über die >>Vernichtungspolitik der Nazis<< erkennt er mutig an, daß man zu diesem Gegenstand noch nicht >>über alle notwendige Kenntnis verfügt<<. Nachdem er Pressac als Mutanten akzeptiert hat (ist der doch >>zum Historiker mutiert<<, - was so nebenher beweist, daß Kraken keine Historiker sind), meint er, dieser sei zu einem >>unangreifbaren, geradezu einzigartigen Fachmann<< geworden. Angegriffen wird er gleichwohl, und keineswegs nur von den Revisionisten. Einzigartig ist er schon; - falls man die offizielle Geschichte, wie sie von all den Bédaridas und unter dem Eindruck der verschiedenen, gegen die Revisionisten verabschiedeten Gesetze, geschrieben wurde, für die einzige hält. Zu meinen, Pressac habe die Dokumente einer >>unbarmherzigen kritischen Prüfung<< unterzogen, kann den kundigen Leser nur herzlich lachen lassen. Eine Arbeit, die sich mit Konstruktionsplänen, Fragen der Entlüftung, der Heizung und anderen Problemen beschäftigt, mit denen jeder für einen öffentlichen Dienst arbeitende Ingenieur täglich zu tun hat, >>erschreckend<< zu nennen, scheint mir auf einen unmäßigen Hang zum Pathos bei den Kraken zu deuten, - es sei denn, mit dieser >>erschreckenden Arbeit<< wolle er insgeheim auch sagen: >>die ohne Antwort bleibt<<.

Wie kommt es, fragt sich der Saugnapf, [22] daß man sich derartigen Fragen nicht schon früher zugewandt hat? Er könnte die Wahrheit sagen: Weil man auf Professor Faurisson nichts zu antworten wußte, nachdem man solange erklärt hatte, daß keine Antwort nötig sei. Aber nein, er bevorzugt die Erklärung, man habe sich um >>Täter und Opfer<< gekümmert. Wie aber erklärt er die allzu große Verzögerung (fünfzehn Jahre nach Faurisson)? Mit der Öffnung der Moskauer Archive. Reines Geschwätz: das furchterliche, bereits alles enthaltende Medley Pressacs erschien 1989, also vor der Öffnung der russischen Archive. Der einzige Beitrag der 80.000 Dokumente Moskaus ist die Geschichte eines Apparates der Firma Siemens, der per Kurzwelle Läuse töten sollte und in Auschwitz vermutlich erprobt worden ist. [23] Das wußte man noch nicht. Wird dieses Gerät nun das umfangreiche Arsenal mythischer industrieller Einrichtungen vermehren, als da sind: die Anlagen zur Umwandlung von Juden in Seife, die Elektrobäder, die Vakuum-- oder Dampfkammern, die Heizplatten, die Züge mit den Kalkwagen, usw.; alles Dinge, fur die zahlreiche, genaue und übereinstimmende Zeugenaussagen vorliegen, und die gleichwohl dem Dunkel des Vergessens anheim gefallen sind, aus welchem sie nur das immense Talent eines Claude Lanzmann eines Tages noch zu ziehen vermöchte? Da dieser Kurzwellenentlausungsapparat nicht im Verdacht steht, Menschen getötet zu haben, sondern im Gegenteil dazu dienen sollte, auch jüdischen Menschen das Leben zu retten, wird er wohl unbekannt bleiben. Das sind also die Moskauer Errungenschaften, die vom KGB 45 Jahre lang verborgen gehalten wurden.

1979 fragte ich nach dem >>Wie des Warum<<. [24] Der Krake ist 1993 immer noch >>auf der Suche nach dem Wie und dem Warum<<. Die Historiker haben bislang kaum Fortschritte gemacht; wohl aber sind verschiedene Steine aus dem Weg geräumt, künstlich errichtete Hindernisse abgebaut worden. Noch immer ist der Weg nicht frei, - wird es eines Tages aber sein müssen.

Für den Nouvel Observateur berichtet Claude Weill. Dieser muß über geheime Informationen verfügen, denn er schreibt:

>>Die Existenz der Gaskamrnern und die Realität der Politik der Vernichtung gegenüber den Juden sind im Überfluß bewiesen worden. Die Beweise stehen jedermann, der lesen kann und willens ist, die Augen zu öffnen, zur Verfugung<<.

Ich bitte Herrn Weill also sehr herzlich, mir die Augen öffnen zu wollen, indem er diese Beweise veröffentlicht, was die diversen Nachtarbeiten Pressacs dann auch überflüssig machte, so daß ein auf seinen Beruf konzentrierter Pharmazeut sich wieder stärker dem Wohl der Kranken widmen kann.

Der Journalist erzählt seine kleine Geschichte von bekannter Sorte. Er folgt Pressac und seinen technischen Überlegungen. Zum Schluß hin aber bricht er zusammen. Diese Diskussionen seien abscheulich; ob Pressac sich denn dessen bewußt sei. Wer die wissenschaftliche Diskussion behindere, meint unser Gelehrter, >>bereitet das Bett für Faurisson<<. Der Journalist ist gewarnt. Ein wenig niedergeschlagen sagt er sich, die Geschichtsschreibung werde das Thema meistern, die richtige Zeit dafür sei gekommen, >>die Schoa wird dem grausamen Blick der Historiker nicht entgehen<<. Ich wußte bislang nicht, daß die Historiker einen grausamen Blick haben. Grausam für wen? Der Satz hat es in sich, habe ich das Gefühl. Der Böse aber ist Pressac: Er nimmt sich die von verschiedenen Seiten genannten Todeszahlen von Auschwitz vor und nennt diese unsanfterweise >>Enten<<. Vor solchen auf Tafeln geschriebenen >>Enten<< haben sich Willy Brandt, der Papst und viele andere verneigt. Zieht man in Betracht, auf welche Weise diese offiziellen Zahlen zustande kamen, so muß man sich fragen, warum das, was Pressac heute liefert, nicht demnächst ebenfalls zur Kategorie >>Ente<< gehören sollte.

Zum Schluß hin läßt der Journalist ein gewisses Mißtrauen erkennen. Er empfindet verschiedene Folgerungen als etwas >>schnell<<, hält die Begründung für die Beseitigung der Wannsee- Konferenz für >>nicht vollkommen überzeugend<<, meint, daß Pressac bei der Reduzierung der Opferzahlen >>ein wenig unklug vorgegangen<< sei und die >>Debatte nicht abgeschlossen habe<<. Alles in allem ist der Observateur nur zur Hälfte bedarisiert.

Aber man hält sich bedeckt. Und gibt den Großmeistern der Offiziellen Wahrheit das Wort, allen voran Pierre Vidal- Naquet, dem Erfinder von Pressac. Wie gewöhnlich stellt dieser sogleich klar, daß er nicht lesen kann: Er meint, die von Pressac vorgenommene >>Präzisierung<< hinsichtlich der >>ersten Vergasungen<< stünde mit den sowjetischen Archiven in Zusammenhang. Das ist ganz offensichtlich falsch; [25] diese Korrekturen sind rein Pressac'sch, was zu erklären mir der Herr Doktor gestatten wird: Pressac entnimmt den Archiven, daß die Gebäude zu dem bislang gültigen Datum (dem Gegenstand der Erinnerung) noch nicht fertig waren. Er wartet also den Tag der Fertigstellung des Krematoriums ab, und bezieht sich auf das >>Kalendarium<< (ein weiterer Gegenstand der Erinnerung), um jenen Tag der ersten Vergasungen nach diesem (laut Pressac nur beschränkt wahrhaftigen) Werk zu >>präzisieren<<. In den Moskauer Archiven findet sich darüber offenbar kein Wort. Was die Berechnungen Pressacs betrifft, so urteilt Hoch [??] würden Schnellrichter ein wenig herum, es sei >>nicht so einfach<<, >>wahrscheinlich<<, ... Der Ritter von der Ehrenlegion zieht die Zahlen Hilbergs vor, die ihm >>ziemlich solide<< vorkommen. Unser griechischer Held zeigt weiche Knie. Er schlägt mehr Haken als üblich. Er muß sich langsam fragen, ob es richtig war, Pressac zu fördern, der inzwischen auf eigenen Bahnen schwebt und eine Bruchlandung riskiert.

Danach ist Hilberg dran. Der Polit- Prof hat seit seinem ersten Auftritt im Prozeß gegen Ernst Zündel in Toronto mächtig dazugelernt. Er ziert sich, der Raul. Er nuschelt etwas, Pressac wäre kein Geschichtsschreiber, er spräche nicht >>das letzte Wort zu dem Gegenstand. [26] Er knirscht etwas von >>wichtigen Recherchen, die noch zu leisten<< seien, daß es >>noch besser die deutschen Quellen zu studieren<< gelte, daß die Sache >>noch lange nicht erschöpft<< wäre. Man fragt sich, was ihm schiefgelaufen ist, dem Raul, seit 1948, daß er nun so in der Tinte sitzt. Er muß schon ziemlich faul gewesen sein, so viel den anderen zu überlassen. Vielleicht ist er aber auch großzügig, knabbert absichtlich nur herum, um den anderen auch etwas Brot zu lassen. Aber er sagt schon etwas sehr Seltsames: Da man keinen Befehl von Hitler gefunden hat, wird man auch keinen von Himmler mehr finden. Himmler und Höß hätten sich >>während der fraglichen Zeit<< nicht einmal gesehen. Was heißt das? Hätte Höß demnach alles ganz alleine entschieden? Oder war der etwa auch nicht informiert? Es gibt auch keinen Befehl von Höß an seine Untergebenen. Eine merkwürdige Geschichte. Man sollte Vidal- Naquet fragen. In solchen komplizierten Fällen weiß Dottore immer Rat.

Das Meisterstück aber liefert, wie immer, Lanzmann. Von brutaler Radikalität, stumpfsinnig, einer jeden Argumentation unzugänglich, aber mit dem Instinkt eines Tieres ausgestattet. Bei seinem Film auf nahezu jeden Quellennachweis zu verzichten, das ist schon eine beachtenswerte Eingebung. Gewiß kennt er die Quellen, wenn er auch nicht versteht, was dort geschrieben steht, aber er verfügt über ein fotografisches Gedächtnis und sagt mit vollem Recht, daß der ganze Pressac schon längst bekannt sei. Und verteidigt seinen hohlen Hamburger geradezu mit der Wortgewalt Célines: Gefühl, nichts anderes (>>Ich ziehe die Tränen des Friseurs von Treblinka dem Dokument Pressacs über die Gasprüfer vor<<). Lanzmann gehört zur Moderne, vom Scheitel bis zur Sohle; die Droge an Stelle des Denkens, Wühlen im Makabren: Pressac aber >>vertreibt das Gefiihl, das Leiden, den Tod<<. Lanzmann tritt Vidal- Naquet, der ihm Jahre hindurch regelmäBig die Stiefel geleckt hat, mit Macht ans Schienbein:

>>Das Traurige aber ist, daß ein Geschichtsschreiber, der sich in seinem Sein gewiß von der Wahrhaftigkeit, von der Kraft, der Deutlichkeit der Zeugenaussagen auf die Probe gestellt sieht, nicht zögert, sich für eine derartige Perversität zu verbürgen. Ein Historiker kapituliert vor einem Apotheker. [...] <<

Die beiden Männer verbindet ein Sado- Maso-Drama; ob damit schon tiefere Schichten des >>Seins<< berührt sind, da bin ich nicht sicher.

Lanzmann hat Pressac erschnüffelt. Er versteht besser als die ganze universitäre und journalistische Traube, die sich in der Hoffnung an Pressac hängt, mit dem Revisionismus abrechnen zu können:

>>[...] Faurisson ist der einzige Gesprächspartner, der in den Augen dieses Konvertiten zählt. Um von diesem erhört zu werden, muß er dessen Sprache sprechen, dessen Fragestellung zu der seinen machen, diese erschöpfend beantworten und den entscheidenden Beweis liefern, die ultima ratio, die seinen ehemaligen Meister überzeugen wird. [...] Selbst in der Zurückweisung legitimiert man damit die Argumente der Revisionisten, weil man ihre Fragestellung akzeptiert.<<

Man kann den armen Mann schon verstehen, er muß sich schon ein bißchen einsam vorkommen, mit seinen Filmrollen unter dem Arm. Er hätte noch etwas warten und seinen Film in Anbetracht der Fragestellung Faurissons vollständig umarbeiten sollen. Es sind nicht die allerorten verfolgten Revisionisten, die das Terrain besetzen, es sind die Bruchstücke in sich zusammenstürzender Gläubigkeit, deren professioneller Vorsänger, deren Kantor zu später Stunde Lanzmann war. Es war nicht Faurisson Frage, nicht sie allein, die diese Implosion verursacht hat. Die Zeit selbst zerstört die Mythen: fugit irreparabile tempus. Denn die modernen Zeiten benötigen moderne Mythen. Lanzmann ist dabei, in Staub zu zerfallen. Bald wird nicht viel mehr als ein vom Wind zerfetztes Schweißtuch von ihm übrigbleiben. Jack Lang [27] wird an der Stelle, da es gefunden wurde, dann jedes Jahr Feldblumen niederlegen.

Zu dem Artikel in Liberation ist nicht viel zu sagen. Philippe Rochette, der ihn unterzeichnet hat, hält sich at dem Trockenen. Er bleibt bei dem Spruch Vidal- Naquets von 1979: das, was geschah, war technisch möglich, den es ist geschehen. Dieser aber hatte sich mit diesen Worte kräftig auf die Zunge gebissen. [28] Den romanesken Teil de Pressacschen Buches schluckt er perfekt herunter: Die Techniker. die Meister der kleinen am Bau des Krematoriums beteiligten Privatfirmen, >>haben gesehen<<. Dieser unbestimmte Gebrauch des Verbes >>sehen<< verdient näher Betrachtung. In diesen drei Worten >>sie haben gesehen<< ist die ganze Geschichte enthalten, einschließlich der Gründe für deren Zurückweisung. Dabei handelt es sich, wie man sehen wird, um eine reine Spekulation Pressacs. Nichts in den Dokumenten läßt den Schluß zu, jemand hätte etwas >>gesehen<<, was auch immer unter solch knapper Formulierung zu verstehen ist. In dem Interview, das Pressac Rochette gibt, tritt er diesem weniger unter dem Tisch auf den Fuß, sondern sagt in aller Ruhe:

>>lch war ein Vertrauter Faurissons, der mich Ende der siebziger Jahre ziemlich gut in die Argumentation der Leugner eingeführt hat.<<

Später kommt er auf eine wohl kaum ernstzunehmende Passage aus seinem Buch zurück, in welcher er meint: Die einzigen Mitglieder der Bauleitung, die nach dem Krieg vor Gericht gestellt wurden - Dejaco und Ertl in Österreich 1972 -, hat man freigesprochen, da die Österreicher weder einen Bauplan noch eine technische Zeichnung lesen konnten. Und dabei haben dem Gericht Dokumente aus den Moskauer Archiven vorgelegen. Was sind diese Österreicher doch für Schwachköpfe, daß sie - ohne es zu ahnen - auf das Licht aus der Apotheke von Ville-du- Bois warten mußten. Übrigens scheint Pressac sich in diesem Zusammenhang den Prozeß gegen den Ingenieur Prüfer von der Firma Topf & Söhne, der die Krematorien entworfen hatte und im April 1948 vor einem sowjetischen Gericht stand, nicht näher angesehen zu haben. Eigentlich müßten sich in den sowjetischen Archiven die Protokolle der Verhöre befinden. Die Sowjets, zu dieser Zeit wahrscheinlich ebensolche Dummköpfe wie die Österreicher, sind nicht darauf gekommen, daß Prüfer der Motor der Vernichtung war, wie Pressac es vorschlägt. Also, wer schaut in Moskau noch mal nach?

Den Artikel von Le Monde habe ich zum Nachtisch aufgehoben. Sein Autor, Laurent Greilsamer, verfolgt die Saga der gerichtlichen Auseinandersetzungen seit langem mit gleichbleibendem Haß. Es ist daher - auch im Zusammenhang mit dem in Gang gekommenen großen Kleiderwechsel - interessant zu bemerken, daß er an Pressac eben das lobt, was er Faurisson vorgeworfen: daß dieser ein Amateurforscher sei; daß er eine Art Pionier sei, indem er angefangen habe, die Tatwaffe zu untersuchen; daß er sich für alles und jedes interessiere, sich mit Ruinen und Dokumenten befasse und den Zeugnissen der Überlebenden bewußt den Rücken kehre. Für >>elementar<< hält er das. Dieses >>Elementare<< ist etliche Tonnen Gerichtsakten schwer! Und die Schlußfolgerungen Pressacs (achten wir auf die Wortwahl) >>revidieren im ehrenhaften Sinn des Wortes das, woran die Gemeinde der Geschichtsschreiber bislang glaubte<<. Welch ein Glück, daß solch eine ehrenhafte Revision gelungen ist! Kein Versteckspiel, keine Sklavensprache; alle Welt soll es ruhigwissen: Glasnost ist angesagt. Warum aber, fragt ängstlich unser Tartüff im Dienst der Perestrojka, warum hat man von all dem nicht schon früher gesprochen? >>Aus Angst, einen Skandal zu provozieren<<. Und Pressac ergänzt:

>>Weil die Menschen noch nicht reif waren. Der Gegenstand war zu sensibel und die Berliner Mauer noch nicht gefallen. Vergessen Sie nicht, daß die Geschichte von Auschwitz in Polen von den Kommunisten geschrieben wurde und in Frankreich das Gesetz Gayssot die freie Meinungsäußerung verbietet.<<

Die Revision mußte also in >>homöopathischer Dosierung<< verabreicht werden. Wie man gesehen hat, verabscheut Doktor Pressac aber auch die Schulmedizin nicht: Auf eine gute Dosis Revision folgen intravenöse Injektionen von Sedativa aus dem >>Kalendarium Polonorum<< - um die Schmerzen der Erinnerung, der diverse lllusionen amputiert wurden, zu lindern. Sich aber zu fragen, was Pressac vielleicht schriebe, gäbe es das Gesetz Gayssot nicht, ist der Journalist nicht helle genug.

Dafür bläht Pressac sich Le Monde gegenüber um so mehr auf. Da es unter seiner Würde ist, die Suppe auszulöffeln, spuckt er hinein: >>Die Forscher haben alle geschwiegen, um ihre kostbaren Sessel nicht zu gefahrden [der Krake wird unruhig!]. Die Revisionisten nutzten die universitäre Feigheit zum Leugnen. Ich selbst habe eine Art Basisarbeit geleistet. Jeder mit einem gesunden Menschenverstand Ausgestattete kann das tun.<< Respekt!

Höchst vorsichtig geht Pressac mit den falschen Zeugen um: >>Man sollte nicht sagen, die Leute hätten gelogen. Es gilt, ein bestimmtes persönliches Gefühlsmoment zu berücksichtigen.<< So spricht Tartüff; der genau weiß, daß bewußt, organisiert, bezahlt gelogen wurde, was mit einem >>Gefühlsmoment<< - welches für sich genommen, wie bei jeder Zeugenaussage zu welchem Gegenstand auch immer, gewiß existiert - nichts zu tun hat.

Wo Lanzmann recht hat, hat er recht. Ohne Faurisson gäbe es keinen Pressac. Pressac besteht zu 90% aus Faurisson, mit gelegentlichen, leicht identifizierbaren Injektionen Vidal- Naquet. Und die gesamte Presse folgt im Gänsemarsch. Fragt sich nur, wer der Scheinheiligere ist: Pressac, der -mit dem Rückgriff auf Höß und dem >>Kalendarium<< - den Ast, auf dem er sitzt, schon zur Hälfte durchgesägt hat; oder die Journalisten, die Pressac dasselbe freudig und dankbar abnehmen, was sie bei Faurisson, als er es ihnen darlegte, zurückwiesen?

Aber vielleicht gibt es doch noch eine Lösung. Eine Bemerkung Bédaridas im Express weist den Weg aus dem Dilemma. Er meint, Pressac sei zunächst der Anziehungskraft der revisionistischen Arbeitsweise erlegen, habe dann aber dieser kleinen Bande (diese als >>niederträchtig<< zu bezeichnen, wie der vorzügliche Doktissimus es tut, unterläßt er) >>auf dem Weg der Verleugnung<< die Gefolgschaft verweigert. Der unglückliche Umberto Eco hat sich von Roger- Pol Droit, einem Kommissar der ideologischen Brigade bei Le Monde, gefangennehmen lassen; er erklärt, der Revisionismus sei gut, sei natürlich, man könne in aller Ruhe über die Dokumente diskutieren, nur möge man doch nicht in die Negation verfallen und alles den Juden während des Zweiten Weltkrieges zufügte Leid leugnen wollen.

Womit also eine Art Scheidelinie gezogen wäre zwischen dem guten und richtigen Revisionismus, wie Pressac und der ganze Haufen hinter ihm, ihn vorführen - die sich der Arbeitsweise der Revisionisten beugen müssen, weil dies ganz einfach das übliche Vorgehen wissenschaftlicher Geschichtsschreibung ist -, und den Leugnern, den Negationisten (ein hierfür neu erfundener Begriff), für die das letzte Tabu, die Gaskammer, reserviert ist, (verziert und vermehrt mit phantasierten Leugnungen, wie etwa der Konzentrationslager, der Deportationen, der Eisenbahnen usw.). So daß der Revisionismus schließlich, zitierfähig geworden, seinen teuflischen Charakter verliert und die Existenz der Gaskammern Pressacsch beweisen darf (mittels verschiedener "Schnitzer"). Die Opferzahlen können dann noch weiter gesenkt werden, ohne daß sich am Wesen der Schoa [??] Die Revisionisten sähen sich ihrer wissenschaftlichen Waffen beraubt, deren sich jetzt ihre Gegner bedienen, und würden ins Nichts des Gesetzes Gayssot [bzw. des 21. Strafrechtsanderungsgesetzes] zurückgestoßen. Und die zu 90% verwandelten Kraken können, frisch eingekleidet die Schulanfänger, von ihren fetten Pfründen aus weiterhin zur Académie Française oder zum Panthéon hinüberschielen. 29

Footnotes

1 J.- C. Pressac,Les Crématoires d 'Auschwitz. La Machinerie du meurtre de masse, CNRS Editions, Paris 1993.

2 J.- C . Pressac, Auschwitz: Technique and Operation of the Gas Chambers, Beate- Klarsfeld Foundation, New York 1989.

3 D. Czech, Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau 1939 - 1945, Rowohlt, Reinbek 1989.

4 >>De nos jours [...] durée anormale de ce gazage<<.

5 >>Courant mai [...] sans plus de précision<<.

6 Besonders: P. Rassinier, Das Drama der Juden Europas, Pfeiffer, Hannover 1965.

7 J.- C. Pressac, Die Krematorien von Auschwitz. Die Technik des Massenmordes, Piper, München 1994, S. 202.

8 Von thanatos - der Tod (gr.).

9 S. Thion, Vérité historique ou vérité politique?. La Vieille Taupe. Paris 1980; (dt.): Historische Wahrheit oder Politische Wahrheit? Die Macht der Medien: Der Fall Faurisson, Verlag der Freunde, Postfach 217, 10182 Berlin,1994; ders., Une Allumette sur la banquise. Le Temps Irréparable, 1993.

10 L 'Express vom 23-29 September 1993. 11 S. Text und Fotos.

11 Von Orwell klassisch übersetzt mit >>Die Lüge<<.

12 Le Nouvel Observateur vom 30. Sept. - 6. Okt. 1993, acht Seiten werden dieser Reise gewidmet, die unwillkürlich an die von irgendeinem bekannten Archäologen geleiteten Kreuzfahrten im Mittelmeer denken läßt. Die Situation kommt durchaus ins Bewußtsein: >>Pressac rennt durch die Ruinen wie ein englischer Archäologe durch die Anlage von Ephesos<< (S. 92). Das Bild ist interessant: in der Tat haben die Engländer 1863 als erste in Ephesos gegraben. Wir befinden uns also in einer Lage, die an das 19. Jahrhundert erinnert. an den Beginn der wissenschaftlichen Archäologie, an die Entdeckung bzw. Wiederentdeckung der großen Zivilisationen der Vergangenheit. Pressac enthüllt uns im Gewand eines Edelmannes aus einem Roman von Jules Verne eine unbekannte Welt. All unser bisheriges Wissen wird durch diesen Triumphritt des Entdeckers entwertet, der, indem er uns die Vergangenheit entschleiert, fast einem Weltschöpfer gleicht.

13 Libération vom 24. September 1993. S. 28 - 29.

14 Le Monde vom 26. - 27. September 1993. S. 7.

15 L 'Express vom 23. - 29. September 1993, S. 77.

16 Das Buch ist unter der Schirmherrchaft Bédaridas im Verlag des CNRS erschienen. Das Kardinalprinzip in der Welt der Pariser literarischen Kritik ist bekannt: >>Am besten wird man von sich selbst bedient - aber es darf nicht herauskommen.<<

17 Le Nouvel Observateur vom 30. Sept. - 6. Okt., S. 84

18 Angabe nach Pressac. der auf Seite 145 seines Buches die entsprechenden Zahlen der Sterbebücher von Auschwitz wiedergibt.

19 Wo in diesen 130.000 Dokumenten sind die Rechnungen für das Chlorwasser?

20 Man hat von den berühmten Puderkammern bei Dr. Kahn gehört. Nun erhalten wir eine Chlorwasser-Läusetod-Garantie von Pressac.

21 L 'Express vom 23. - 29. September 1993, S. 80

22 Derzeit im Sessel des Generalsekretärs beim Internationalen Komitee der Geschichtswissenschaft.

23 J.- C. Pressac, Les Crématoires d'Auschwitz, a. a. O., S 83 ff.

24 Serge Thion: Historische Wahrheit oder Politische Wahrheit? a.a. O., Erster Abschnitt, Anm. 10.

25 Wie man seit dem unvergänglichen Aufsatz Vidal- Naquets 1980 Esprit (Sept. 1980. Nr. 8) weiß, ist jemand, der irgendetwas Falsches schreibt, ein Fälscher.

26 Die Presse bezeichnet ihn gleichwohl als Historiker. dies aber nicht sein Beruf. Auch er ist ein >>Amateur<<.

27 Zehn Jahre lang Minister für Kultur in der sozialistischen Regierung Frankreichs.

28 In der Zeitschrift L'Histoire vom Juni 1992, S. 51, heißt es in bezug auf diese berühmte Sentenz: >>Wir hatten, zumindest in der Form, gewiß unrecht; selbst wenn unsere Frage im Grunde richtig war.<<

29 Ob diese Besprechung bereits unter das Gesetz Fabius-Gayssot fällt, weiß ich nicht: sicher ist nur, daß dessen Wirksamkeit vom Buch Pressacs erheblich beeinträchtigt ist. Ebenso von einer jeden Besprechung dieses Buches. Sollte es zu Anzeige und Gerichtsverfahren kommen, gäbe es auf der Anklagebank jedenfalls eine Menge Wäsche zu waschen. ----------------- There is File called err (error) with this inside: No output translation for :ordmasculine No output translation for :ordmasculine