Beim Friedenskongress in Utrecht ist den Franzosen bekannt, daß Eugens
Werben um den englischen Bundesgenossen gescheitert ist. Hinter dem Rücken
seiner Bündnispartner führt England geheime Verhandlungen mit
Frankreich, obwohl es sich nach außen hin weiter als Verbündeter
der Allianz ausgibt. Die Verbündeten sehen sich gezwungen, noch einmal
zu den Waffen zu greifen. Wieder einmal sucht man die "letzte, entscheidende
Schlacht". Doch die englischen Truppen unter dem Herzog von Ormonde
haben Anweisung, sich von jeder Aktion fernzuhalten. Mehr noch: Ormonde
ist hinterhältig genug, die Kaiserlichen bewußt in eine verderbliche
Stellung zu locken. Gleichzeitig verständigt er den französischen
Befehlshaber Villars, daß er von den britischen Truppen nichts mehr
zu befürchten hat! Ohne diese, für England nicht gerade seltene
Niedertracht, wäre Ludwig endgültig zu Boden gerungen worden,
und die Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen.
Trotz des ehrlosen Betrugs der Engländer gelingt es dem Prinzen, tief
in Frankreich einzudringen. In Paris herrscht schon Panik. Doch da vollbringt
Marschall Villars, von Ormonde über die Pläne der Kaiserlichen
bestens informiert, das Wunder von Denain und wird damit zum Retter Frankreichs.
Die Holländer - Krämer wie die Engländer - fallen nach dem
unglücklichen Ausgang dieser Schlacht ebenfalls ab. Wien fehlt wie
immer das Geld, und Eugen muß an französische (!) Geldverleiher
herantreten, um für unverschämte Summen Soldaten von unseren
Reichsfürsten zu kaufen. So erhält der Landgraf von Hessen-Kassel
für ganze zwei Schwadronen 50.000 Gulden. Der Herzog von Sachsen-Gotha
für zwei Bataillone und zwei Eskadronen 300.000 Gulden!
Nach über ein Jahrzehnt währenden blutigen Kämpfen und schrecklichen
Verwüstungen kommt man endlich überein, einen Frieden zwischen
Kaiser und König auszuhandeln. Diesmal sollen ihn nicht die Diplomaten,
sondern die Feldherrn zuwege bringen. Am 26. November 1713 treffen sich
Prinz Eugen und der französische Herzog Villars im Schloß Rastatt.
Villars verehrt den Prinzen nicht nur als Feldherrn, sondern auch als Menschen.
Er ist tief beeindruckt von dem "kleinen, schmächtigen Eugen"
, von dessen Bildung, Charakter und diplomatischen Fähigkeiten. Eugen
tritt dabei mit dem für seine Zeit ungewöhnlich kühnen Gedanken
auf, ein Bündnis oder wenigstens ein Abkommen zwischen Frankreich
und dem Reich zustandezubringen. Seltsamerweise ist es ausgerechnet Ludwig,
bis dahin der Todfeind des Hauses Habsburg, der diesen Gedanken aufgreift.
Leider wird dieser für das Schicksal Europas so fruchtbare Gedanke
nicht Wirklichkeit.
Am 7. März setzen die beiden Feldherrn endlich ihre Unterschriften
unter den von ihnen ausgehandelten Vertrag. Trotz der militärisch
und finanziell schwachen Lage Habsburgs gelingt es dem Prinzen, dank seiner
diplomatischen Fähigkeiten und einigem "Pokerspiel", die
wesentlichsten Anliegen seines Kaisers zu erfüllen. Karl braucht auf
seine spanischen Ansprüche nicht zu verzichten. Österreich hat
reiche Gebiete, aber mit diversen Völkern, dazugewonnen.
Der nach wie vor vom Glanz der spanischen Krone geblendete Karl ist dagegen
bereit, auf die von den Franzosen geraubten Gebiete im Westen des Reiches
zu verzichten. Frankreich behält das Elsaß mit Straßburg,
Toul, Metz und Verdun, sogar Landau! Es scheint Karl VI. nicht aufgegangen
zu sein, daß die Aufgabe dieser wertvollen und strategisch bedeutenden
Reichsgebiete die Franzosen in Zukunft nur zu weiteren Raubzügen animieren
wird! Seine Gedanken kreisen weiterhin mehr um seine spanischen Lande als
um die Kräftigung der Mitte Europas. Den reichstreuen Prinzen haßt
seine spanische Kamarilla begreiflicherweise wie die Pest. Es ist diesen,
das Wiener Hofleben hispanisierenden Emigranten zu verdanken, daß
die Blicke Karls immer wieder auf seinen unseligen Jugendtraum gelenkt
werden, zu Ungunsten des Reiches!
Am meisten jedoch hat das perfide Albion nach diesem langen Krieg gewonnen.
Durch den Frieden von Utrecht wird England die führende See- und Handelsmacht
der Welt. Neben neuen Kolonien und strategischen Stützpunkten wie
Gibraltar und Menorca gewinnt es das enorm lukrative Monopol auf den Sklavenhandel
mit den spanischen Kolonien. Die englische Flotte beherrscht die Weltmeere.
Englands in den Krieg gepumpte Gelde hatten unwahrscheinliche Zinsen abgeworfen.
Für England bedeuteten schon damals europäische Bruderkriege
den idealen Zustand, um in fernen Erdteilen auf Beute gehen zu können.
Prinz Eugen wird nach dem Friedensschluß von der Bevölkerung
begrüßt wie nach einem großen Siege. Nach Jahren im Sattel,
von einem Kriegsschauplatz zum andern hetzend, nach Strapazen und Verwundungen,
will er sich nun endlich der verdienten privaten Ruhe hingeben. Auf ihn
wartet das von Meister Hildebrandt im weiteren Ausbau befindliche Prachtschloß
Belvedere, ein würdiger Wohnsitz für diesen großen Freund
der Künste und Wissenschaften.
Eugens Muße soll nicht lange währen. Während des Spanischen
Erbfolgekrieges, der die Kräfte des Kaisers voll in Anspruch nimmt,
sind die Türken zum Glück noch zu schwach, um die Bedrängnis
des Reiches durch Franzosen und Kurutzen auszunutzen. Doch im Jahr 1716
glauben sie sich von den früheren Niederlagen genügend erholt.
Sie wollen Rache an den verhaßten Christen nehmen und gleichzeitig
ihre unruhigen Hilfsvölker beschäftigen, für die Krieg der
profitabelste Zeitvertreib ist.
Das türkische Weltreich ist trotz der erlittenen Schläge noch
immer ein gewaltiger Koloß. Der Sultan herrscht über drei Kontinente.
Kairo, Bagdad und auch Jerusalem sind in türkischer Hand. Schon im
Februar 1715 erläutert der Prinz nach gründlichem Studium die
bedrohliche Lage. Ein Zehnpunkteprogramm enthält seine Forderungen
für die unbedingt notwendige Verbesserung der Armee sowie den Bau
einer Donauflotte.
Karl VI. kann sich den Argumenten des Prinzen nicht verschließen.
Zu frisch sind die Erinnerungen an die Belagerung Wiens durch die Türken.
Es besteht wenig Grund, ihre Kampfkraft zu unterschätzen. Im Kriegsarchiv
über die Feldzüge des Prinzen heißt es: "Die (türkischen)
Soldaten waren tapfer, gehorsam, fanatisch. Ein grausamer Vernichtungswille
beseelte sie, und bald wußten sie wieder wie einst, Schrecken vor
sich her zu verbreiten." Der Kampf gegen die Ungläubigen war
ihnen zudem religiöse Pflicht. Der Tod auf dem Schlachtfeld sicherte
ihnen den Platz im Paradies mit all seinen Freuden.
Ohne Kriegserklärung wälzt sich im Juli 1716 eine türkische
Soldatenflut donauaufwärts, insgesamt an die 200.000 Mann, angeführt
vom Großwesir Damad Ali. Ihr Ziel ist Peterwardein, das "Gibraltar
an der Donau". Nur wenige Kilometer von der Festung entfernt läßt
Damad Ali sein Lager aufschlagen.
Ein bewaffnetes Aufklärungsunternehmen der Kaiserlichen hat einen
bösen Ausgang. Die Stimmung im Lager Eugens ist gedrückt, die
Angriffslust seiner Generäle schwindet angesichts der gewaltigen türkischen
Übermacht. Der Prinz kommandiert nicht mehr als gut 60.000 Mann. Zudem
sind die Türken im Besitz der vorteilhafteren Stellungen. Die Generäle
sind für den Rückzug. Der Prinz hält nichts von einem Kriegsrat.
Er ist gewohnt, seine Entschlüsse allein zu treffen, und er befiehlt
den Angriff.
Trotz der fanatischen Tapferkeit der Janitscharen gelingt es Eugen, wieder
einmal in vorderster Reihe seine Leute anfeuernd, mit seinen gepanzerten
Kürassieren die Front der Türken aufzurollen. Der Großwesir
fällt durch eine Kugel. Die traurigen Reste seiner Armee fliehen über
die Save.
Ein grausiger Fund erwartet die Kaiserlichen im Lager der Türken:
"Der Feldmarschallleutnant Graf von Breuner ist bei des Großwesirs
Zelt ganz frisch zerhauen mit Eisen an Hals und Füßen, dann
verschiedene unserer Leute herum... enthauptet aufgefunden worden,"
heißt es im Bericht des Prinzen an den Kaiser. Breuner war gefoltert
worden! Die Brutalität der Türken unterschied sich wenig von
der der späteren Bolschewiken und ihrer Nachahmer...
Die Siegesfeiern in Wien lassen den Prinzen unbeeindruckt. Ihm ist an der
Auswertung seines Sieges gelegen. Sein Fernziel ist die Rückeroberung
von Belgrad, das 1690 für Habsburg wieder verlorengegangen war. Aber
dafür ist seine Armee noch zu schwach. Auch fehlt ihm das unbedingt
nötige Schiffsmaterial.
Eugen marschiert anschließend noch in die Ebene am linken Donauufer
gen Temesvar, nach Belgrad die stärkste Festung der Türken. Am
12. Oktober läßt der befehligende Pascha die weiße Fahne
hissen. Eugen hat dem Kaiser das ganze Banat gewonnen.
Temesvar, das "Klein-Wien", zeigt noch heute Reste seines früheren
barocken Wiener Charms. Die von Eugen ins Land geholten Schwaben, die das
Land zu einem blühenden Garten machen, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg
auf grausame Art ausgerottet oder vertrieben. Vornehmlich aus ihren Reihen
hatte sich die 7. SS-Gebirgsdivision unter ihrem fähigen Kommandeur
Arthur Phleps, einem Siebenbürger Sachsen und ehemaligen k.u.k.Offizier,
gebildet. Die Nationalsozialisten hatten zu Ehren des Prinzen dieser Division
sowie einem modernen schweren Kreuzer seinen Namen gegeben.
Der Kaiser und auch der Papst überhäufen den Marschall des Reiches
nach seinem Siege mit Ehrungen. Der Kaiser wiederholt seine Ermahnungen,
Eugen solle sich in Zukunft "weniger exponieren". Er will seinen
einzigartigen Feldmarschall nicht durch dessen Tollkühnheit im Kampf
verlieren. Eugen hat sich an diese Mahnungen nie gehalten und weiterhin,
wo immer notwendig, als mitreißendes Beispiel an der Spitze seiner
Truppen gekämpft.
Nach Peterwardein und Temesvar müssen all die Neider Eugens, einschließlich
der spanischen Parasiten, für eine Weile verstummen. Der Kaiser kann
vom Prinzen überzeugt werden, daß ein Frieden mit den Türken
nur dann von Dauer sein kann, wenn Belgrad wieder in seiner Hand ist.
Im nächsten, den Kampf gegen die Türkenbedrohung entscheidenden
Feldzug, kommt es zu jener berühmten Schlacht, die als eine der Großtaten
an Feldherrnkunst und an wildem Mut von Feldmarschall, Offizier und Mann
in die Geschichte eingegangen ist.
Das Unternehmen unterscheidet sich von anderen auch dadurch, daß
es mit der größten Sorgfalt vorbereitet wird. Unter Führung
Eugens erleben wir das kaiserliche Heer auf seiner weltgeschichtlichen
Höhe. Auch die Hofkasse knausert diesmal nicht mit der Finanzierung.
Die Erkundigungen der Befestigungen der zwischen Save und Donau eingezwängten
Festung fallen dem Grafen Mercy zu. "Belgrad war Schlüsselpunkt,
Pforte, Sperriegel und Damm... zur Beherrschung des Balkans, der Meeresküsten
und Istanbuls."
Die Garnison ist gerade mit 30.000 Mann Janitscharen verstärkt und
für einen langen Zeitraum mit Proviant aufgestockt worden. Und in
Adrianopel steht ein gewaltiges Heer zum Angriff nach Norden bereit.
Die Hoffnung Eugens, dieser Übermacht 100.000 eigene Soldaten entgegenstellen
zu können, geht nicht in Erfüllung. Er muß sich mit 70.000
begnügen. Um so mehr Sorgfalt widmet er den technischen Vorbereitungen
des Feldzugs. Die Überwindung der beiden Ströme verlangt hervorragende
Brückenbauer, dazu eine schlagkräftige Donauflotte.
Die Türken denken nicht einmal im Traum daran, daß der Prinz
eine so unorthodoxe Strategie wählen könnte, eine Brücke
über die Donau zu errichten. Die Donau ist bei Belgrad sehr breit,
aber eine vorhandene Sandbank erleichtert den Brückenschlag.
Ein unbekannter Soldat hat den Verlauf von Belagerung und Einnahme Belgrads
in einem Lied besungen, das früher allen Schulkindern bekannt war:
"Prinz Eugen, der edle Ritter, wollt, dem Kaiser wied`rum kriegen
Stadt und Festung Belgerad. Er ließ schlagen einen Brucken, daß
man konnt hinüberrucken mit der Armee wohl vor die Stadt." So
heißt es in der ersten Strophe. Rund 150 Jahre später berichtet
Ferdinand Freiligrath die Stimmung vor der Schlacht in seinem Gedicht "Zelte,
Posten, Werda-Rufer...", von Carl Loewe zu der jedem Musikliebhaber
bekannten Ballade vertont.
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juni geht es in drei Staffeln an das andere
Donauufer. Das Kriegsarchiv berichtet: "Es war ein Moment hoher kriegerischer
Begeisterung... Trommelschall und das Spiel der Pfeifen erfüllten
die Luft und hoch flatterten die kaiserlichen Fahnen."
Der Brückenkopf wird gebildet, die Kavallerie kann ungehindert über
den Strom. Damit ist einer der gefährlichsten Abschnitte des Unternehmens
glücklich durchgeführt. Unter dem ständigen Störfeuer
der Festung geht Eugen an die Organisation der Belagerung. Er hat es eilig,
denn je länger die Belagerung dauert, desto eher kann ihm das Entsatzheer
Chalil Paschas in den Rücken fallen.
Der Pascha allein verfügt über die doppelte Streitmacht des Prinzen.
Neben der Festungsbesatzung droht noch eine weitere türkische Armee,
die vom Banat aus vorstößt, um die Nachschublinien der Kaiserlichen
abzuschnüren. Durch einen in seinen Diensten stehenden Spion ist Eugen
ziemlich genau über die Bewegungen des Gegners informiert. Wie im
Zweiten Weltkrieg Guderian (der dem Prinzen als Stratege und Truppenführer
in vieler Hinsicht ähnelt), mißt Eugen der Aufklärung und
dem Nachrichtendienst besondere Bedeutung bei.
Vorsorglich hat der Prinz sich gleichzeitig auf Angriff und Verteidigung
eingestellt. Denn am 28. Juli künden Raketen und Freudenböller
aus der Festung die sich nähernden Spitzen des Entsatzheeres an. Fast
täglich hat Eugen nun mit einem Angriff zu rechnen. Schlimmer noch
als die Nähe des Paschas ist das aus den Niederungen der beiden Flüsse
aufsteigende Sumpffieber. Auch die Ruhr tritt auf, die dieKaiserlichen
weiter dezimiert. Dauerkanonaden von der Festung decken die Belagerer von
zwei Seiten ein. Der Proviant wird knapp, nachdem die Türken mehrere
Versorgungsschiffe gekapert haben.
In Wien ist die Stunde der Schwarzseher wieder gekommen. Sollte es den
Türken gelingen, Eugen in die Zange zu nehmen und zu vernichten, so
kann man mit einer dritten Belagerung Wiens rechnen. Seine Widersacher
nörgeln, Eugen habe zu viel riskiert. Er sei nicht Herr der Lage,
immer habe er gegen alle Regeln verstoßen. All seine früheren
Siege seien nur reine Glücksfälle gewesen.
Die Katastrophe für seine kranke Armee vor Augen, faßt der Prinz
den tollkühnen Entschluß, den Stier bei den Hörnern zu
packen. Er wählt die Offensive. Wie später Friedrich der Große
vor der Schlacht bei Leuthen befiehlt er seine Generäle in sein Zelt,
um ihnen seinen Entschluß zu übermitteln. Er soll dabei gesagt
haben: "Entweder ich nehme Belgrad, oder die Türken nehmen mich."
Um Mitternacht treten 24 Kavallerie- und 52 Infanterieregimenter an. Die
Türken haben nicht die geringste Ahnung vom bevorstehenden Angriff
der Kaiserlichen. "Mit einem solchen Wahnsinnsentschluß, mit
dieser Alles- oder Nichtstaktik des Prinzen, mit einem Angriff zwischen
zwei Feuern, hatten sie nicht gerechnet."
Ein dichter Morgennebel sorgt für einige Verwirrung unter den Angreifern.
Als endlich die Sonne durchbricht, gelingt den Türken ein Einbruch
mit starken Kräften in eine Lücke im Zentrum der Armee des Prinzen.
Doch Eugen wirft sich blitzschnell an der Spitze der Kavallerie an die
bedrohte Stelle. Obwohl durch einen Streifschuß am Arm verwundet,
spornt er durch sein kämpferisches Beispiel seine Soldaten an, das
Letzte herzugeben. Im Lied des unbekannten Dichters heißt es hier:
"Prinz Eugenius wohl auf der Rechten thät als wie ein Löwe
fechten als General und Feldmarschall." Mit unwiderstehlicher Wucht
stürzt sich die kaiserliche Armee nun auf den Gegner und zermalmt
ihn.
Ohnmächtig müssen die türkischen Verteidiger der Festung
den Untergang der Armee beobachten, die sie hatte befreien sollen. Am 22.
April kapituliert auch die Festung. Der Jubel in ganz Europa ist groß,
und Eugen erntet den überschwenglichen Dank des Kaisers.
Den Türken ist der Schock in die Glieder gefahren, und sie suchen
den Frieden. Vorher muß der Prinz jedoch noch einmal mit einem erneuten
Feldzug drohen, bevor es im folgenden Jahr zum Frieden von Passarowitz
kommt. Genau wie Bismarck später besitzt auch Eugen einen gesunden
Sinn für das Mögliche. Er rät zur Mäßigung, und
von Forderungen noch größerer Gebietsabtretungen abzusehen.
Die Laufbahn des Feldherrn ist damit abgeschlossen, eines Feldherrn wie
ihn die Welt lange nicht gesehen hatte, und den Friedrich der Große
und auch Napoleon mit Stolz als ihr Vorbild hinstellten.
Aber der Prinz war nicht nur ein großer Feldherr, sondern auch durch
und durch Staatsmann. Er handelt nach dem Motto, daß Gott die Mäßigung
mehr schätzt als den Übermut des Siegers! Die neuerworbenen Ländereien
im Osten will er langsam mit dem Reich verschmelzen statt weitere unverdauliche
Fremdgebiete anzustreben. Man hat diese weise Einstellung auf deutscher
Seite im Ostfeldzug des zweiten Weltkrieges leider vermissen lassen. Übertriebener
Ehrgeiz, neben sträflicher Unterschätzung einer globalen feindlichen
Koalition, kosteten uns den Sieg.
Eugens Palast in der Himmelpfortgasse ist nun neben der Hofburg die erste
Adresse in Wien geworden. Als Philipp von Orleans, der Sohn Liselottes
und Nachfolger Ludwigs XIV., die Annäherung an den Kaiser sucht, führt
sein Vorstoß bezeichnenderweise über Prinz Eugen. Es spricht
für die menschliche Größe des Prinzen, daß er sein
enormes Prestige nie für persönliche Zwecke ausgenutzt hat. Was
er tut, geschieht stets im Namen und im Interesse seines kaiserlichen Herrn.
In Erinnerung an die einstige Großmachtstellung Spaniens ist sich
Karl VI. nur zu sehr der Vorteile einer starken Handelsflotte mit aktivem
maritimem Handel bewußt. Auf sein Betreiben wird die Ostindische
Kompanie gegründet. Sie erzielt zwar fabelhafte Gewinne, verärgert
aber die Rivalen Holland und vor allem England. Der Prinz hatte von Anfang
an vor diesen Plänen gewarnt, da er die Reaktion der Engländer
und Holländer richtig einschätzte. Ihm ist klar, daß es
sich hier - wie immer- nicht um Rechte, sondern um Macht handelt!
Sein Mißtrauen soll bald bestätigt werden. Als Preis der Anerkennung
der Pragmatischen Sanktion zwingen die Seemächte den Kaiser dazu,
die Kompanie aufzulösen. Karls Reaktion ist wiederum falsch. Erzürnt
über die Anmaßung seiner Rivalen, verlegt er seine Ambitionen
noch mehr nach Spanien und zerstört damit die schon in Ansätzen
vorhandene Annäherung an Frankreich. Die Verbindung der habsburgischen
mit der spanischen Krone war ein Unsegen für Österreich, und
mehr noch für das Reich!
Die Pragmatische Sanktion, d. h. die weibliche Erbfolge des Hauses Habsburg,
muß gegen erhebliche Widerstände erkämpft werden. Den Ewigen
Reichstag zu Regensburg kann Eugen durch finanzielle Beeinflussung dazu
bewegen, "im Namen des Heiligen Römischen Reiches" die Nachfolge
anzuerkennen. Schwieriger gestaltet sich die Einholung des Einverständnisses
der auswärtigen Mächte. Der Kaiser wähnt seinen Anspruch
durch eine Reihe von Verträgen gesichert. Eugen hat keine solchen
Illusionen. Er warnt Karl, sich nicht auf papierene Verträge zu verlassen,
sondern auf eine volle Kasse und ein starkes Heer! Dafür wären
allerdings die bedeutenden Reformen in der Verwaltung nötig gewesen,
zu denen Karl sich nicht aufraffen kann. Mirko Jelusich urteilt über
Karl VI.:"Er war ein echter Habsburger: Immer nur bemüht, Kompromisse
zu schließen und das Unabwendbare hinauszuschieben, statt ihm entgegenzutreten
und es zu meistern."
Vierzig Jahre lang hatte der Prinz auf allen Schlachtfeldern Europas um
den Bestand der Monarchie gekämpft. Er hatte Habsburgs Großmachtstellung
begründet, indem er seine Kernlande um ein vielfaches vergrößerte
und seiner Politik nach dem verheerenden Ausgang des 30-jährigen Krieges
neue Wege wies. Er war alt geworden, aber er hatte nicht die Absicht, tatenlos
zuzuschauen, wie unfähige Verwalter sein Werk gefährden und zerstören.
Für den gewöhnlichen Soldaten ein fremdes Umfeld, betritt der
Prinz daher nach jahrelangen Kämpfen im Feld ein völlig neues
Gebiet: das der Geheimdienste und der Untergrunddiplomatie. Typisch für
ihn hält er sich dabei nicht an Lehrbücher, an Moralvorurteile
oder gar an Völkerrechtstraktate. Ihm liegt daran, mit seinen Agenten
die Absichten der Gegner des Kaisers auszukundschaften, die gegnerischen
Strategien frühzeitig zu erkennen und durch Aufruhr und Verwirrung
zu durchkreuzen.
Seine auf militärischem Gebiet angewandten Methoden setzt er jetzt
mit Erfolg in der Friedensdiplomatie ein. Mit eigenem Geld kauft er nicht
nur Informationen, sondern ebenfalls habsburgischen Einfluß an allen
Höfen Europas.
Das Netz seiner Agenten erstreckt sich über den ganzen Kontinent.
So wie sich die heutigen Geheimdienste, ob Mossad, CIA oder Secret Service,
ihrer offiziellen Auslandsvertretungen bedienen, so werden auch die Botschafter
des Kaisers, die zum Teil dem Prinzen ihre Stellung verdanken, die wichtigsten
Träger seiner Geheimdiplomatie. Der Kaiser fördert diese unschätzbare
Arbeit des Prinzen und sorgt dafür, daß niemand außer
ihm eine Ahnung davon hat.
Was war der Zweck dieser kostspieligen Bemühungen? Welche Ziele verfolgte
der Prinz in seiner ehrenamtlichen Außenpolitik, zu der er ohne Zweifel
von den großen Gegenspielern des Reiches wie Richelieu oder Mazarin
angeregt worden war? Im Hinblick auf den aufstrebenden brandenburg-preußischen
Staat bangt der Prinz um die Gefahr eines innerdeutschen Bruderkrieges.
Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, hat zwar kaum jemals Zweifel
an seiner Loyalität zum Kaiserhaus aufkommen lassen. Auch den jungen
Kronprinzen, den Eugen als Gast im Feldlager kennen und schätzen lernte,
hält man als Verehrer von Musen und Philosophie für unkriegerisch
und ungefährlich. Außer dem kaiserlichen Botschafter in Berlin,
Seckendorf, erkennt nur Eugen mit feinem Instinkt den Ehrgeiz und das Genie
des Königssohns.
Fortsetzung hier . . .