Frontalangriff gegen die Schweizer Banken

Quelle:  ZEIT-FRAGEN  Nr.17 vom 30.04.2007
Von Dr. iur. Marianne Wüthrich-Izbicki, Zürich

In der Tagespresse ist zu lesen, wie es bei der Verteilung der 1,25 Milliarden Dollar, die im Jahre 1998 den Schweizer Grossbanken als sogenannte Entschädigung für nachrichtenlose Vermögen aus den Dreissiger- und Vierzigerjahren abgepresst wurden, zu- und hergeht. Obwohl der WJC (World Jewish Congress) Ende der neunziger Jahre gedrängt hat, die bedürftigen Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie, vor allem in den osteuropäischen Ländern, müssten raschestmöglich einen Entschädigungsbetrag erhalten, ist die Auszahlung fast zehn Jahre danach immer noch nicht abgeschlossen. Dafür werden viele Millionen Dollar für die Kosten der endlosen Verwaltung der Gelder verschleudert, und die Sammelklagen-Anwälte verdienen sich bekanntlich eine goldene Nase. Als Clou berichtet die "Neue Zürcher Zeitung" am 20. April, dass Richter Korman grosse Summen der Schweizer Gelder einigen Multimillionärsfamilien zugesprochen hat.

Rückblick auf die 90er Jahre: Grossangelegte Stimmungsmache gegen die Schweiz

Wer erinnert sich nicht an die in ihrer Schärfe einmalige Stimmungsmache gegen die Schweiz Ende der neunziger Jahre? Die Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs wurde aus Kreisen der amerikanisch-britischen Grossfinanz massiv kritisiert, mit eifriger Schützenhilfe einer Grosszahl der inländischen Medien und zahlreicher Schweizer Karrierepolitiker. Unter dem Schutzmäntelchen der Neutralität habe die Schweizer Wirtschaft durch den Handel mit Nazi-Deutschland unsaubere Geschäfte getätigt, gleichzeitig hätten die Behörden eine unmenschliche Flüchtlingspolitik betrieben.

Kein Wort von der bedrohlichen geografischen Lage unseres Landes - umringt von den Achsenmächten -, kein Wort von den Hunderttausenden von Flüchtlingen, die in der Schweiz eine Zuflucht fanden oder von hier aus in andere Länder fliehen konnten, kein Wort von den Zehntausenden von Kriegskindern, die in Schweizer Familien einen oft lebensrettenden Erholungsaufenthalt machen durften, kein Wort vom eindrücklichen Einsatz der Aktivdienstgeneration, kein Wort von der unermüdlichen Arbeit des Schweizerischen Roten Kreuzes, der Flüchtlingsorganisationen und der Guten Dienste.

Dass die Schweizer Behörden in dieser Notsituation für das Überleben der Bevölkerung handeln mussten und dabei auch Fehler begangen haben, bestreitet niemand. Dass in einigen Schweizer Grossunternehmen Geschäfte getätigt wurden, die aus heutiger Sicht - vom sicheren Boden des Friedens aus - nicht immer lupenrein waren, ist ebenfalls klar. (Gibt es in irgendeinem Land, vielleicht in den USA, nur Grossunternehmen mit völlig sauberer Weste?)

Frontalangriff gegen die Schweizer Banken

Ausgangspunkt dieser beispiellosen Attacke war ein Frontalangriff aus den Kreisen der amerikanischen Hochfinanz gegen den Finanzplatz Schweiz im Bestreben, die gewichtige Konkurrenz der Schweizer Grossbanken zu schwächen und das Schweizer Bankkundengeheimnis, über das sich die US-Bankiers schon lange geärgert hatten, zu Fall zu bringen. Zu diesem Zweck setzte man die Behauptung in die Welt, die Schweizer Banken hätten sich durch nachrichtenlose Vermögen von Holocaust-Opfern um Milliarden von Franken bereichert. Der WJC forderte von den Banken "Wiedergutmachung" durch die Verteilung von Milliardengeldern an überlebende bedürftige Opfer des nationalsozialistischen Regimes. Obwohl trotz aller Bemühungen der interessierten Kreise nur relativ bescheidene Beträge auf nachrichtenlosen Konten aus den Dreissiger- und Vierzigerjahren nachgewiesen werden konnten, beugten sich die Schweizer Grossbanken dem Druck der Agitatoren, die von den Massenmedien - gerade auch den inländischen - eifrig unterstützt wurden, um so ihre Geschäfte und ihr Bankgeheimnis zu retten. Im Jahre 1998 willigten die UBS und die CS ein, eine Summe von 1,25 Milliarden Dollar zur Entschädigung für nachrichtenlose Konten zu bezahlen.

Wer bekommt die Milliarden?

In der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 20. April erfuhren die Leser, wie die Verteilung dieser riesigen Summe in den letzten neun Jahren vonstatten gegangen ist.

"Schleppende Verteilung des Geldes" ("Neue Zürcher Zeitung") Ende der neunziger Jahre haben der WJC und andere jüdische Organisationen zu eiliger Auszahlung gedrängt, damit die zum Teil schon betagten Leidtragenden noch zu einer Entschädigung kommen sollten. Heute, nach bald zehn Jahren, liegen immer noch 250 Millionen Dollar brach. Für die Verwaltung der verschleppten Zahlungen werden jährlich 20 Millionen Franken verschleudert, 25 bis 30 Leute erhalten seit neun Jahren einen Lohn für die Organisation der Verteilung und hüten offenbar erfolgreich ihre einträglichen Jobs.

Wer erhält das Geld aus der Schweiz?

Insgesamt haben bisher 400 000 Menschen 1 Milliarde Dollar erhalten. Statt der behaupteten Milliarden von Dollars, die angeblich auf Schweizer Konten, deren Inhaber während des NS-Regimes umgebracht worden waren, liegen sollten, konnte bisher lediglich eine Gesamtsumme von 360 Millionen Dollar nachgewiesen werden. Als eigentliche Anspruchsberechtigte haben sich 4600 Erbberechtigte von Konteninhabern gemeldet. Von Milliardenbeträgen kann also nicht die Rede sein. Die übrigen Bedachten sind ehemalige NS-Zwangsarbeiter und Opfer der Ausplünderungspolitik Hitler-Deutschlands, also zum Beispiel Familien, denen von den NS-Schergen ihr Vermögen gestohlen wurde. Dass diese Menschen einen Sühnebetrag erhalten, mag ich ihnen von Herzen gönnen, aber warum sollen die Schweizer Banken für die Untaten der Nationalsozialisten aufkommen? "Der Vergleich [mit den Anwälten der Sammelkläger im Jahre 1998] hatte den Banken unterstellt, durch ihren Geschäftsverkehr mit dem Dritten Reich von diesen Verbrechen profitiert zu haben." ("Neue Zürcher Zeitung", 20. April) Kleine Anmerkung: Wenn so argumentiert wird, müssten verschiedene amerikanische Grosskonzerne ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Deren lukrativen Geschäfte mit dem Dritten Reich werden aber bis heute unter Verschluss gehalten.

"Neue Anspruchskategorie": die Superreichen

Die grossen Gewinner der Aktion sind zum einen die Anwälte, die das Anreissen von Sammelklagen als einträgliches Geschäft entdeckt haben. Als ein Beispiel unter vielen forderte der Anwalt Burt Neuborne ein Honorar von 4,7 Millionen Dollar; er berechnete einen Stundenansatz von 890 Dollar(!) und stellte für einige Tage über 24 Stunden in Rechnung(!).

Zum andern - man höre und staune - hat Richter Korman eine "neue Anspruchskategorie" geschaffen, also Leute, deren Familienangehörige keine Konten auf Schweizer Banken hatten. Diese "Anspruchskategorie" - worauf stützt sich denn ihr Anspruch? - umfasst befremdlicherweise einige sehr begüterte Familien. So hat Richter Korman die bisher höchste Auszahlung, nämlich über 21 Millionen Dollar, den Erben der Wiener Zuckerfabrikanten-Dynastie Bloch Bauer zugesprochen, zwei andere reiche Familien haben zusammen 25,3 Millionen Dollar erhalten.

Wie bereits erwähnt: Als die amerikanischen Banken und Organisationen Ende der neunziger Jahre ihre unwahrscheinliche Kampagne gegen den Schweizer Staat und die Schweizer Wirtschaft anzettelten, trieb insbesondere der WJC zur Eile an, damit die bedürftigen Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, vor allem in den ehemaligen Warschaupaktstaaten, noch zu Lebzeiten einen Betrag erhalten sollten.

Und nun erfahren wir, dass die grössten Brocken der Schweizer Gelder an einige Millionärsfamilien verteilt werden, während die bedürftigen Familien in Osteuropa mit ein paar tausend Dollar abgespeist worden sind. Es ist zu vermuten, dass diese Millionen dorthin fliessen werden, wohin der WJC sie von Anfang geplant hatte.