Grabert Verlag zu Claus Nordbruch's "Judenfragen"

Grabert-Verlag, Tübingen 2006
in Leinen gebunden, 400 Seiten, 150 Abbildungen
ISBN 3-87847-228-5, Preis: 19,90 Euro

Aus der Verlagsankündigung:

Aufgrund der jüngeren deutschen Vergangenheit ist das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden noch immer belastet. Es herrschen verkrampfte Stellungnahmen bis hin zu Tabus vor. Viele Bundesbürger scheuen sich, die diesen Bereich betreffenden Fragen anzusprechen oder sich mit ihnen zu befassen. Doch aktuelle Ereignisse wie die Einwanderung von Hunderttausenden jüdischer Menschen aus dem Osten in die Bundesrepublik oder die Beteiligung der Bundeswehr an militärischen Maßnahmen im östlichen Mittelmeer verlangen eine Beschäftigung mit diesem Thema, fordern eine Stellungnahme und lassen insbesondere für politisch Verantwortliche wie Interessierte eine Ausklammerung dieser Fragen einfach nicht mehr zu.

Um dabei unberechtigte Vorurteile zu beseitigen und Mißverständnissen vorzubeugen, bedarf es einer umfassenden und sachlichen Wissensgrundlage. Wegen der tragischen geschichtlichen Entwicklung im Zusammenleben von Juden und Deutschen gibt es jedoch kaum neutrale moderne Darstellungen über jüdisches Selbstverständnis und jüdische Identität, über die unterschiedlichen Strömungen und Eigenarten im Judentum, sondern meist nur mehr oder minder parteiische Schriften mit entweder ausgeprägtem philosemitischen oder entsprechendem antisemitischen Tenor.

Diese Lücke hat nun der Publizist Dr. Claus Nordbruch, der in den letzten Jahren durch eine ganze Reihe von gründlichen Monographien zu historischen und aktuellen Einzelfragen hervorgetreten ist, durch sein gerade erschienenes Buch Judenfragen. Selbstverständnis und Problematik ausgefüllt. Er hat sich an dieses, besonders für einen Deutschen heikle Thema gewagt und ein Sachbuch zu diesen komplizierten "Judenfragen" vorgelegt. Es ist nach wissenschaftlicher Methode geschrieben: Die Probleme werden sine ira et studio von den verschiedenen Seiten objektiv beleuchtet, die entsprechenden Tatsachen mitgeteilt, Zitate genau belegt, wobei vor allem angesehene Persönlichkeiten zu Wort kommen, insbesondere führende jüdische Politiker, Rabbiner oder Publizisten.

So wundert es nicht, daß die meisten Quellen jüdischen Ursprungs sind, die zudem oftmals aus den USA stammen, ein Umstand, der das Buch für deutsche Leser noch interessanter macht, da es sich hier um Dokumente handelt, die in der Bundesrepublik den wenigsten bekannt sein dürften.

Die jüdische Problematik ist nicht nur uralt, sie läßt auch gerade die jüdische Geisteselite seit Generationen nicht ruhen. Diese Ruhelosigkeit zieht sich infolgedessen durch alle politischen Anschauungen. Der Gründervater des Zionismus, Theodor Herzl meinte vor mehr als hundert Jahren, es sei töricht, "die Judenfrage" zu leugnen. Er hielt sie weder für eine soziale noch für eine religiöse, sondern für eine nationale Frage. Kurt Loewenstein, Chefredakteur der Jüdischen Rundschau, stimmte im Januar 1934 dem bei: "Die Judenfrage" verlange eine nationale Antwort. Der jüdische Soziologe Arthur Cohen war der Auffassung, "überall", wo man hinsehe, würde einem "eine Judenfrage entgegengähnen". Der bekannte jüdische Publizist William S. Schlamm vertrat in seinem Buch Wer ist Jude? (1964) die Auffassung, daß betretenes "Schweigen über die Judenfrage" einer Kränkung der Juden gleichkomme. In ähnlicher Weise haben sich unzählige jüdische Intellektuelle ihre Köpfe über die jüdische Problematik zerbrochen: die jüdische Philosophin und Judaistin Salcia Landmann ebenso wie der Theologe Bruno Bauer. Julius Moses und Max Green gehören dazu, ebenso Sigbert Feuchtwanger und der Rabbiner Gottlieb Klein aus Elbing. Jean-Paul Sartre, Karl Kautsky, Karl Marx und Wladimir I. Lenin zählen wie der bekannte jüdische Historiker Alex Bein zu den jüdischen Intellektuellen, die sich diese Fragen gestellt haben. Sie und viele andere haben es aber nicht beim Fragen belassen, sondern geben auch Antworten, die Nordbruch im einzelnen wiedergibt, in den Zusammenhang stellt und auf ihre Berechtigung abklopft.

Einen ganz wesentlichen Teil seines Buches widmet der Verfasser den beiden gegensätzlichen Kräften "Semitismus" und "Antisemitismus", den er treffender Judäophobie nennt. Wie bei allen Teilfragen seiner Studie läßt er hier ebenso hervorragende Vertreter der jüdischen Geisteselite zu Wort kommen, und zwar sowohl als Fragensteller als auch als Antwortende.

Ohne Vorbehalte, aber auch ohne Vorurteile stellt Nordbruch sich der religiösen Frage, die mit der Problematik eingeleitet wird, ob es überhaupt wahrheitsgetreue Übersetzungen des Talmud gibt. So banal diese Frage zunächst klingen mag, so entscheidend ist ihre Beantwortung für weitere Aussagen über das religiöse Judentum. Dies gilt um so mehr für all diejenigen, die der hebräischen Sprache nicht mächtig sind. Ohne in Fachsimpelei abzugleiten, dafür aber mit zahlreichen belegten Beispielen beantwortet der Verfasser diese Frage. Ebenso gründlich untersucht er, wie es sich nach dem Talmud mit der Nächstenliebe, der Sexualität und dem Ansehen der Frau verhält und wie die in den religiösen Schriften festgehaltenen Rechtsauffassungen zu Meineid, Betrug, Diebstahl, Raub und Wucher zu verstehen sind. Hier wie bei allen anderen Fragestellungen enthält sich Nordbruch jeder Polemik und begibt sich nicht, wie dies dem einen oder anderen Autor schon passiert ist, aufs Glatteis. Immer handelt er nach dem wissenschaftlichen Prinzip der genauen Darlegung aus den maßgeblichen Quellen.

Der Autor bemüht sich, ein Höchstmaß an Ausgewogenheit zu erreichen. Es ist für ihn deshalb selbstverständlich, auch die hervorragenden Leistungen jüdischer Wissenschaftler und Forscher hervorzuheben. Hierbei verharrt er aber nicht bei der trockenen Aufzählung von jüdischen Nobelpreisträgern, sondern führt seine Leser in ein Reich außergewöhnlicher Vielfalt. Dabei räumt er wiederum ein, daß nicht jeder jüdische Film, nicht jede jüdische Philosophie und natürlich auch nicht jede jüdische Schauspielerin allen gefallen müsse. Das einzige, was zähle, sei ihre Existenz oder ihr Können.

Ausführlich und ins einzelne gehend, widmet sich Nordbruch den großen festzustellenden Unterschieden innerhalb der Judenheit. Diese bezieht er nicht nur auf die ethnische Herkunft oder das äußere Aussehen von Juden. Er hebt besonders die vielfältigen und unterschiedlichen religiösen, geistigen und politischen Strömungen innerhalb des Judentums hervor. Wer, außer etwa einigen Dutzend Humangenetikern und den Forschern zweier jüdischer Kliniken in den USA, wüßte schon um die seit kurzem bekannten genetischen Unterschiede nicht nur zwischen Juden und Nichtjuden, sondern auch zwischen aschkenasischen und sephardischen Juden Bescheid?

Nordbruch belegt anhand überprüfbarer Quellen und nachzuvollziehender Argumentation, daß Juden weder physiognomisch, noch ideologisch, noch geistig eine homogene Einheit bilden. Würde man dies in Abrede stellen, so heiße das, keinen Unterschied zwischen dem konservativen, orthodoxen, liberalen und reformierten Judaismus zu machen. Es heiße aber auch, Juden die Möglichkeit abzusprechen, dogmatische oder liberale, atheistische oder orthodoxe, christliche oder muslimische, apolitische oder demokratische, nationalistische oder sozialistische Denkweisen vertreten zu können.

An vielen Stellen verdeutlicht der Autor bei besonders strittigen Fragen die Antworten mit plastischen Beispielen: Es sei unbestreitbar, daß viele herausragende jüdische Politiker und Intellektuelle um die vorletzte Jahrhundertwende zum Sozialismus marxistisch-leninistischer Prägung neigten und sich am Bolschewismus maßgeblich beteiligten. Viele Anhänger des etwa zeitgleich entstandenen Zionismus waren damals Kommunisten. Diese Entwicklung habe für manche Kritiker den willkommenen Umstand geboten, die Mehrheit des jüdischen Volkes als sozialistisch, internationalistisch oder revolutionär einzustufen. Viele deutsche Kritiker - keineswegs nur "Antisemiten" - seien von der falschen Annahme ausgegangen, daß die prominenten jüdischen Intellektuellen die politische Auffassung der Mehrheit des jüdischen Volkes widerspiegelten. Sie schlossen von Einzelnen auf das Gesamte und begingen damit politische Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden Folgen. Wie die vorliegende Studie zweifelsfrei beweist, ist es falsch anzunehmen, die Mehrheit des jüdischen Volkes habe ausschließlich "linke" Haltungen unterstützt. Jude-Sein und die Adoption marxistischen Gedankenguts unterliege keineswegs einer Gesetzmäßigkeit oder Zwangsläufigkeit. Geradezu beeindruckend in diesem Zusammenhang ist Nordbruchs Schilderung der Absichten und des Verhaltens des deutschen Judentums im 20. Jahrhundert, weil dieses sich darin so grundlegend von den jüdischen Vertretern aus anderen Ländern unterschieden habe. Eben weil in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht genügend zwischen den verschiedenen innerjüdischen Ansichten unterschieden wurde, seien unabschätzbare Möglichkeiten für die friedliche und konstruktive Entwicklung Europas vertan worden.

Daß Nordbruch in seinem Buch auch für manche Leser unangenehme Antworten liefert, liegt in der Sache begründet. Bereits auf den ersten Seiten seines Buches bezieht er sich auf ein Bekenntnis des jüdischen Historikers Norton Mezvinsky, der in seinem Vorwort zu dem gemeinsam mit Israel Shahak verfaßten Grundsatzwerk Jewish Fundamentalism in Israel (2004) geschrieben hat, daß gleichgültig, was Personen oder Gruppen mit seinen Ergebnissen anstellen, dies ihn niemals davon abhalten könne, weiter zu forschen und Ergebnisse zu veröffentlichen, auch wenn sie dem "Mainstream" widersprechen sollten.

     Quelle: http://www.nordbruch.org/buecher/JudenFragen.html