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Die revolutionäre Kultur frißt das, wovon sie lebt,
und lebt von dem, was sie frißt


Veröffentlicht am 28. Februar 2007

Bischof Richard Williamson hat vom 22. - 25. Februar Kulturtage für junge
Männer im St. Theresien-Gymnasium in Schönenberg ausgerichtet. In seiner
Einladung schrieb er: "Jeder Einzelne von Euch hat eine unsterbliche Seele.
Die heutige Welt will Euch weismachen, daß Ihr bloß aus einem Leib
bestündet, der unbedingt zufriedengestellt werden müsse. Die Welt lügt Euch
an. ...

Ganz abgesehen von der Menschwerdung Gottes haben es zu allen Zeiten die
Meister der Weltliteratur und -kunst immer wieder verstanden, die Höhen und
Tiefen des menschlichen Schicksals auf verschiedene Weisen auszudrücken.
Diese Zeugen des Adels - und der Gefahren - Eurer Natur werden an Euren
modernen Schulen und Universitäten immer mehr an den Rand gedrängt, unter
anderem deshalb, weil sie eine ständige Anklage Eurer liberalen,
materialistischen, unmenschlichen Bildung darstellen würden. Ihr seid aber
keine Affen, noch seid Ihr Maschinen und schon gar keine rein virtuelle
Realität!

Deshalb folgende Einladung zu drei Tagen des Nachdenkens über die
vielfältige aber bedrohte Geisteswelt, in die unsere großen Wort- und
Tondichter der alten und neuen Zeit Euch einführen sollen."

Mit Msgr. Richard Williamson sprach Jens Falk über Kultur, Literatur und die Kulturtage.

Bischof Richard Williamson, 1958 Abitur, studierte
lateinische, griechische, französische, deutsche und englische Literatur und
war anschließend dreieinhalb Jahre im Universitätsdienst tätig. Danach war
er einundeinhalb Jahre Journalist und siebeneinhalb Jahre Gymnasiallehrer.
Mitte der sechziger Jahre konvertierte Bischof Richard Williamson zum
katholischen Glauben. Er erkannte, daß der Mensch sich in einer Sackgasse
befindet und nur die katholische Kirche die Probleme des Menschen richtig
definiert und dem Menschen Lösungen aufzeigt. 1976 wurde er zum Priester und
am 30.Juni 1988 zum Bischof geweiht.

Bild: Jens Falk

In Ihrer Einladung zu den Kulturtagen sprechen Sie von einer virtuellen
Realität. Was ist damit gemeint?

Die Menschen werden heute weitgehend durch Maschinen von der Realität, der
Wirklichkeit getrennt, und in den letzten Jahren vor allem durch Elektronik.

Im allgemeinen entfernt der Mensch sich immer weiter von Gott. Gott ist die
unendliche Wirklichkeit, aber die Menschen wollen ihn durch ihre Wahnwelt
ersetzen. Sie wollen die Wirklichkeit nicht annehmen, ihre eigene Welt
aufsetzen, ohne Gott. Und diese Ersatzwelt wird immer unmenschlicher, denn
man möchte gegen die Natur leben. Aber irgendwie, irgendwann, irgendwo
müssen die Menschen zur Wirklichkeit zurück.

Vorträge zu Literatur und Kultur zu halten, ist eher ungewöhnlich für einen
katholischen Bischof.

Es ist ein bißchen autobiographisch. Ich wurde in den 50er Jahren, vor dem
totalen Umbruch der sechziger Jahre, erzogen und ausgebildet in einem sehr
guten protestantischen Gymnasium in England, im Winchester College und dann
drei Jahre in Cambridge. Fertig war ich 1961, gerade vor der Ankunft der
Beatles in London. Das heißt, ich habe eine ruhige klassische, vorkonziliare Bildung empfangen. Ganz ohne Verdienst meinerseits, es wurde mir gegeben.

Später bin ich dann katholisch geworden und Priester, sogar Bischof. Aber in
den letzten zehn, fünfzehn Jahren ist mir bewußt geworden, daß man die Natur
ablehnt. Diese Natur, die ich über klassische lateinische, griechische,
französische, deutsche und russische Literatur im Gymnasium kennengelernt
habe, diese Natur wird gründlich abgelehnt. Und ich habe diese Natur von
meiner Ausbildung her zu gut verstanden, um zu wissen, daß man sie nicht
ohne großen Schaden ablehnen kann.

Die Gnade kämpft nicht mit der Natur, sondern die Gnade kämpft mit der
Sünde. Die Gnade setzt eine einigermaßen gesunde Natur voraus; wenn die
Natur immer ungesunder wird, wie kann die Gnade wirken? Wie kann man mit
einem Halbstarken über das Evangelium, mit einem Rockmusiker, der immer
diese Klappen auf den Ohren hat, der immer in der Phantasie, der Wahnwelt
der Rockmusik lebt, sprechen, wie kann man ihn ansprechen? Wie ihm etwas vom
Glauben erzählen? Die ältere Generation, meine Generation, hat die alte
Bildung empfangen, aber die neue Generation lernt nur Chemie, Physik,
Mathematik, Informatik, Technologie; und das ist nichts für Herz und Seele.

Die Kulturtage halten Sie weltweit?

Ich habe in Argentinien mit Vorträgen für Jugendliche begonnen und heute
abend werde ich in England einen Vortrag halten. Auch in den Vereinigten
Staaten gab es solche Kulturtage. Die Idee kam mir im Priesterseminar in den
USA. Denn diese Kultur fehlt gerade in den Vereinigten Staaten. Ich mußte
Seminaristen heranbilden und ich habe einen sehr guten Professor für
Literatur immer wieder eingeladen, über Shakespeare zu sprechen. Er kam und
gab Vorträge. Die Seminaristen haben das sehr geschätzt, weil sie verstanden
haben, daß dies in ihrer eigenen Bildung fehlt. Sie waren dankbar, durch
diesen Professor von der menschlichen Natur in den Werken Shakespeares zu
hören.

Was sind Ihre Lieblingsklassiker?

Das kann ich nicht sagen, ich habe kein einziges Lieblingswerk. Ich habe die
Russen im allgemeinen gern. Sie sind tief, z.B. Puschkin; neulich habe ich
Jewgeni Onegin mit Freuden gelesen. Aber ich könnte nicht sagen, daß es mein
Lieblingswerk ist.

Haben Sie früher viel gelesen?

Ich weiß nicht, was man unter viel verstehen würde. Ich habe früher stets
gelesen.

Und heute?

Heute habe ich weniger Zeit, auch für Literatur fehlt mir die Zeit. Aber ich
zehre von meiner Vergangenheit. Was Literatur betrifft, lebe ich von der
Bildung, die ich zwischen 13 und 18 Jahren empfangen habe. Zu dieser Zeit
wußte ich all das nicht zu schätzen. Diese Bildung war nur eine Belastung,
aber jetzt verstehe ich, wie wichtig diese natürliche Bildung ist. Und erst
recht als Katholik und Bischof verstehe ich wie nie zuvor, wie eminent
wichtig diese natürliche Bildung ist.

Finden Sie heute in der modernen Literatur empfehlenswerte Bücher?

Ich habe neulich Steppenwolf von Herman Hesse gelesen und da habe ich nicht
viel Wertvolles gefunden. Ich lese nicht viel von den modernen Werken, aber
was ich lese, gefällt mir im allgemeinen nicht. T.S. Eliot hingegen habe ich
gern, Eliot, den Amerikaner, der nach England ausgewandert ist und den
größten Teil seinen Lebens in England verbracht hat.

Was macht Dostojewskij so interessant? Ist da ein katholischer Geist zu
finden?

Ich habe alle vier großen Romane: Der Idiot, Die Dämonen, Die Brüder
Karamasow sowie Schuld und Sühne gelesen; jedes Stück sogar zwei oder
dreimal und erst neulich wieder Die Brüder Karamasow. Das ist mehr oder
weniger, was ich von Dostojewskij kenne. Ich habe ihn seit meiner Jugendzeit
sehr gern.

Warum katholisch?

Er ist modern, aber hat das Moderne überwunden. Er wurde
vom Zaren in die Verbannung nach Sibirien geschickt, weil er Sozialist war,
liberal, ein Revolutionär. Er machte das Moderne ganz mit, aber dann hat er
verstanden, daß die moderne Antwort des Sozialismus keine wirkliche Antwort
ist und kehrte schließlich zum Glauben seiner Jugendzeit zurück. Er ist so
sehr modern, daß er das Moderne ablehnt. Er glaubt nicht weiter an die
falschen modernen Lösungen und eben das aus tiefen und guten Gründen: Weil
er versteht, daß der Mensch eine göttliche Dimension hat und daß es ohne
Gott, ohne Moralgesetz, nicht geht. Mit den modernen Ideen und Ideologien
gelingt nichts, kann das Leben nicht gelingen.

Hat die Kirche eine kulturelle Aufgabe? Sehen Sie einen Zusammenhang
zwischen Kultur und Kirche?

Sicher. Die moderne Kultur folgt der christlichen Kultur. Die moderne Kultur
heute lebt noch von dem, was von der christlichen Kultur noch übriggeblieben
ist. Hätte es keine Kirchen und Klöster gegeben, keine christliche Kultur,
so gäbe es heute auch keine moderne Kultur. Die moderne Kultur ist, so sehr
sie es auch leugnen und abstreiten mag, ja selbst wenn sie die Kirche und
Christus, Gott ablehnt, doch immer von dieser abendländischen, d.h.
christlichen Kultur, zutiefst abhängig. Die revolutionäre Kultur frißt das,
wovon sie lebt, und lebt von dem, was sie frißt.

Was ist die Aufgabe der Kirche?

Die Aufgabe der Kirche ist, die Menschen wieder gläubig zu machen und
anschließend, wenn sie wieder gläubig sind, ihre Seelen in Einklang (anstatt
im Krieg) mit Gott zu bringen. So werden die Menschen auch wieder Schönheit
und Güte aus ihrem Herzen schöpfen. Aber wenn sie von Gott entfernt sind,
dann sind wie heute Literatur, Kunst, Malerei, Musik im Begriff zu sterben.
Es heißt, daß die Orchester in den Vereinigten Staaten mehr und mehr
finanzielle Schwierigkeiten haben. Ich habe gehört, dass immer weniger CDs
mit klassischer Musik gekauft werden. Und das scheint normal, weil man eben
eine neue, eine tiefneue, ganz andere Welt aufbaut und es scheint ebenso
normal, daß die Jugend sich zum Beispiel nicht mehr für die alte Kultur
interessiert. Das spricht sie nicht an, denn sie befindet sich in einer
anderen Welt.

Planen Sie weitere Kulturtage?

Ich würde hoffen, daß andere das tun könnten als ich. Ich habe in diesen
Tagen das gesagt, was ich sagen wollte. Es gibt eine Linie in diesen Werken,
selbstverständlich es sind nur sieben Werke der gesamten Weltliteratur, aber
mit jedem anderen Werk möchte ich im Grunde genommen dasselbe sagen wie mit
Oedipus Rex , Aeneis, usw

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