Sept 17 2006
Ein sehr lesenswerter, intelligenter und mutiger Kommentar zum
Spiegel-Interview mit Ahmadinedschad.
Publiziert im Magazin “eigentümlich frei", Ausgabe Nr. 65,
September 2006
Der Mann, vor dem sich der “Spiegel" (nicht) fürchtet.
Ein Interview, das Geschichte schrieb.
Von Kaspar Rosenbaum
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad wuchs in
einfachen Verhältnissen auf als eines von sieben Kindern eine Schmieds.
Dabei ist er hochintelligent. 1975 nahm er an den landesweiten
Universitätseingangsprüfungen teil und erreichte den 130. Platz unter
vielen Zehntausenden Mitstreitern. Der promovierte Bauingenieur ist ähnlich
wie Russlands Präsident Putin den meisten westlichen Politikern
intellektuell haushoch überlegen. Auch deshalb fürchten sie ihn und
verweigern schon mal das Gespräch. Spitzfindige Briefe an Merkel oder Bush
werden lieber erst gar nicht beantwortet, da man sich der Diskussion mit dem
gewitzten und schlagfertigen Teheraner Ex-Bürgermeister nicht gewachsen
glaubt.
Der Mann, vor dem “taz" und “Welt" sich
fürchten.
Im Frühjahr hat er einen eindrucksvollen ersten Beweis
seines Könnens darin abgelegt, den Westen an seiner Achillesferse zu packen
und ihn in seinem wunden Punkt vorzuführen. Der “Karikaturen-Streit"
tobte und viele westliche Politiker und ihre Mainstreammedien schworen die
ach so “westliche Meinungsfreiheit". Von “Welt" bis “taz"
druckte man höchst “mutig" die Mohammed-Karikaturen nach und fühlte
sich seiner Sache als einer Achse des Guten sicher und moralisch überlegen.
Bis Präsident Mahmud Ahmadinedschad plötzlich selbst zu einem
Karikaturenwettbewerb aufrief und Gewinnern Goldmünzen auslobte. Das Thema
sollte diesmal nicht Mohammed sein, sondern der Holokaust. Er sei gespannt,
so Ahmadinedschad, ob die westlichen Medien diese Karikaturen auch drucken
würden, ob sie also wirklich für Meinungsfreiheit stritten. Dabei weiß er
nur zu gut, dass Autoren oder Zeichner solcher Karikaturen in Deutschland
oder Österreich, aber auch in Belgien, Frankreich oder Polen, sofort im
Gefängnis landen und wie Schwerverbrecher behandelt würden.
Seit diesem Coup hat Ahmadinedschad, der selbst mit Freiheit
kaum etwas am Hut hat, ja im Gegenteil durch und durch ein Kollektivist ist,
sein Lieblingsthema in der Auseinandersetzung mit westlichen Politikern und
Medien gefunden. Er hat die wunde Stelle entdeckt und bemerkt, dass sie wohl
noch waidwunder ist, als er es schon ahnte.
Vom Erfolg der Taktik überwältigt, lud Ahmadinedschad zum
Entsetzen der westlichen Politiker und Mainstreammedien zu einer
Holokaustkonferenz ein. Als Tony Blair darüber Unverständnis äußerte,
lud er ihn persönlich ein, doch teilzunehmen und seinen Standpunkt auf der
internationalen Konferenz mit einzubringen. Daraufhin erwiderte Blair,
Ahmadinedchad möge doch mal lieber nach Auschwitz gehen und sich das Lager
ansehen. Worauf Ahmadinedschad erst seinen wirklichen Coup landete:
Ja, er würde ja gerne kommen. Und dabei wolle er dann
gleich ein Team unabhängiger Wissenschaftler mitbringen, zwecks
Begutachtung.
Der polnische Außenminister beeilte sich danach anzumerken,
es sei "ausgeschlossen, dass irgend eine iranische Untersuchungsgruppe
die Erlaubnis bekommt, das Ausmaß des Holokausts auf polnischem Boden zu
untersuchen".
Wie Politiker Zweifel am Holokaust nähren.
Ahmadinedschad führt sie alle vor, weil er weiß, dass
über dieses Tabu in Europa und in den USA nicht diskutiert und nicht
geforscht werden darf. Also wurde das Thema nicht kommentiert, sondern
allenfalls in kleinen Teilen kurz vermeldet. Doch erstmals erfuhr auch so
eine breitere Masse, dass Wissenschaftler, wie unseriös auch immer sie sich
gebärden, für ihre Untersuchungen eingesperrt werden, dass Historiker für
abweichende Meinungen abgeurteilt werden und dass weitere Untersuchungen “ausgeschlossen"
sind.
Wieviele Menschen mögen dadurch inzwischen Zweifel an der
offiziellen Holokaustgeschichte gewonnen haben? Eigentlich Grund genug,
dieses Tabu im Westen endlich zu hinterfragen und eine freie Diskussion zu
erlauben, damit nicht noch mehr Wasser auf die Mühlen der sogenannten
Holokaustleugner fließt. Doch Mut schreibt man sich zwar gerne unter
Journalisten oder Politikern zu, nur kaum einer hat ihn. Und deshalb werden
solche Fragen allenfalls in einer eigentümlich freien Zeitschrift
diskutiert. (Anmerkung: Name der Zeitschrift, der dieser Artikel entnommen
ist)
Ahmadinedschad jedenfalls hatte allen gezeigt, wozu er
fähig ist und wie er Menschen mit Hilfe dieses Tabuthemas Holokaust
vorführen kann. Das deutsche Nachrichtenmagazin “Spiegel" schlug im
Mai dennoch alle Warnungen in den Wind und ließ sich auf ein Interview mit
Ahmadinedschad ein - vermutlich unter der Vorgabe, den kompletten
Gesprächsverlauf exakt so zu drucken, wie er stattfand. Gleich drei
hochkarätige Redakteure des “Spiegel" reisten nach Teheran -
darunter auch der Chefredakteur Stefan Aust. Es sollte nichts schief gehen,
man war auf alles gefasst. Was dann entstand, veröffentlicht am 29. Mai
2006 im Zentralorgen der deutschen Mainstreampublizistik, ist schon heute
ein Stück Mediengeschichte.
Wohl niemals zuvor wurden ausgerechnet im “Spiegel"
seitenlange geschichtsrevisionistische Aussagen gedruckt, die - wie die
Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knoblauch, anschließend
empört hinzufügte - eigentlich “in Deutschland strafbar sind und
bestraft werden müssen".
Nun verhält es sich mit dem Mainstreamflaggschiff “Spiegel"
und strafrelevanten falschen Meinungen etwa so wie mit den etablierten
Parteien und vermeintlich “verfassungsfeindlichen" Aussagen: was bei
Bemerkungen unbedeutender Möchtegernpolitiker von Kleinparteien im
Verfassungsschutzbericht zitiert wird, ist aus dem Munde von Koch, Steuber,
Müntefering oder Wieczorek-Zeul eine “eigenwillige" Aussage.
Insofern ist auch das, was im “Spiegel" zu lesen war, und was etwa in
der “Jungen Freiheit" zu neuen Lichterketten der Anständigen und zu
Verhaftungen geführt hätte, ein "eigenwilliger" Artikel. Wenn
nur der iranische Präsident die drei “Spiegel" Spitzenreporter nicht
so vorgeführt hätteŠ
Mahmuds Interview mit drei “Spiegel"-Redakteuren.
Es lohnt sich, die wichtige erste Passage des sieben Seiten
langen Interviews noch einmal in Revue passieren zu lassen. Von Anfang nämlich
führt Ahmadinedschad - und nicht etwa die “Interviewer" - das
Gespräch. Der “Spiegel" beginnt locker mit Fußball und erwähnt die
Furcht deutscher Politiker vor einem Besuch des iranischen Präsidenten
anläßlich der WM in Deutschland. Ahmadinedschad versteht die Aufregung
nicht. Also hakt der “Spiegel" nach: “Erst machen Sie Ihre
Bemerkungen über den Holokaust, dann kommt die Nachricht, Sie reisen
eventuell nach Deutschland - das sorgt für Aufregung. Also waren Sie doch
überrascht?"
Hier schlägt Ahmadinedschad erstmals zu:" Nein, in
keiner Weise, denn das Netzwerk des Zionismus ist weltweit sehr aktiv, auch
in Europa, daher habe ich mich nicht gewundert. Wir haben das deutsche Volk
als Ansprechpartner gesehen. Mit Zionisten haben wir nichts zu tun." Er
will das “Spiegel"-Trio offensichtlich provozieren und fügt hinzu:
"Ich weiß, dass der “Spiegel" ein renommiertes Magazin ist,
aber ich weiß nicht, ob Sie die Möglichkeit haben, die Wahrheit über den
Holokaust zu veröffentlichen. Sind Sie befugt, alles zu schreiben?"
Schon sind die gängigen Klischees der “Holokaustleugner"
bedient: das deutsche Volk als Opfer des “Zionismus" und der Spiegel
als willfähriges Organ der “zionistischen Strippenzieher im Hintergrund".
Darüber würde sich nun jede andere westliche Zeitschrift mit jedem anderen
Gesprächspartner lustig machen. Oder besser so einen Unsinn gar nicht
drucken. Aber vor den drei weitgereisten “Spiegel"-Fechtern sitzt der
leibhaftige iranische Präsident. Und man ist stolz auf dieses seltene
Exklusiv-Interview.
Deshalb reagiert das Trio defensiv: "Ganz sicher sind
wir befugt, über die Erkenntnisse der historischen Forschung in den letzten
60 Jahren zu schreiben. Aus unserer Sicht besteht kein Zweifel daran, dass
die Deutschen an der Ermordung von sechs Millionen Juden die Schuld tragen."
Da ist es schon, das Kollektivschuldbekenntnis, die
intellektuelle Bankrotterklärung. Und da ist sie, die Zahl von sechs
Millionen, die man als deutscher Journalist sofort noch einmal festschreiben
muß. Und bei Gefängnisstrafe keiner anzweifeln darf. Obwohl genau diese
Zahl zuletzt ein leitender Redakteur des “Spiegel", Fritjof Mayer,
indirekt angezweifelt hatte. Hinter vorgehaltener Hand bestehen denn auch
sehr wohl Zweifel bei seriösen Wissenschaftlern über das
straftrechtsbewehrte Dogma der “sechs Millionen" - wohlgemerkt nicht
nur bei Holokaustleugnern".
Ahmadinedschad jedenfalls muß ob dieser sofortigen
Selbstkasteiung innerlich ein kleines Freundentänzchen aufführen und fügt
scheinbar gelassen hinzu: "Nun, dann haben wir eine ganz konkrete
Diskussion angeregt. Wir stellen zwei ganz konkrete Fragen. Die erste lautet:
hat sich der Holokaust wirklich ereignet? Sie bejahen diese Frage. Also
lautet die zweite Frage: wer trägt die Schuld daran? Die Antwort muß in
Europa gefunden werden und nicht in Palästina." Doch stopp, der
Präsident will zunächst beim Holokaust bleiben und fügt deshalb an: “Erlauben
Sie mir, noch auf einen weiteren Punkt einzugehen. Wir sind der Meinung,
wenn eine historische Begebenheit der Wahrheit entspricht, wird diese
Wahrheit umso mehr ans Tageslicht kommen, ja mehr danach geforscht wird. Wir
wollen den Holokaust weder bestätigen noch bestreiten. Wir sind gegen jede
Art von Verbrechen an jedwedem Volk, aber wir wollen wissen, ob dieses
Verbrechen wirklich geschehen ist oder nicht. Wenn ja, dann müssen
diejenigen bestraft werden, die dafür Verantwortung tragen, und nicht die
Palästinenser. Warum ist es nicht erlaubt, über eine Tatsache zu forschen,
die vor 60 Jahren passiert ist?"
Der erfahrene Stefan Aust und seine Mannen versuchen an
dieser Stelle abzulenken und bemerken: “Herr Präsident, mit Verlaub, der
Holokaust hat stattgefunden". Ahmadinedachad erwidert: “Wenn es den
Holokaust wirklich gegeben hat, dann erlauben Sie doch, dass unparteiische
Gruppen aus aller Welt forschen. Warum beschränken Sie die Forschung auf
eine bestimmte Gruppe? Ich meine natürlich nicht Sie, sondern die
europäischen Regierungen."
Von dieser nun sehr konkreten Frage versucht der “Spiegel"
noch einmal wegzulenken: “Bleiben Sie dabei, dass der Holokaust ein Mythos
sei?" Ahmadinedschad spielt den Ball zurück: “Ich akzeptiere nur
dann etwas als Wahrheit, wenn ich wirklich überzeugt bin. "Der “Spiegel"
tappt in die Falle: “Obwohl alle westlichen Wissenschaftler keinen Zweifel
am Holokaust hegen?" Ahmadinedshcad kann nun konkreter werden: In
Europa gibt es dazu doch zwei Meinungen. Eine Gruppe Wissenschaftler oder
Personen, die meistens politisch motiviert sind, sagen, dass der Holokaust
stattgefunden hat. Dann gibt es aber die Gruppe jener Wissenschaftler, die
eine gegenteilige Auffassung vertreten und deshalb zum größten Teil
inhaftiert sind. Normalerweise fördern und unterstützen Regierungen die
Arbeit der Forscher über historische Ereignisse und stecken sie nicht ins
Gefängnis."
Aust und seine Untergebenen tun zunächst unwissend: “Wer
soll das sein, welche Forscher meinen Sie?" Und Ahmadinedschad landet
seinen Coup, indem er dafür sorgt, dass der Spiegel selbst die
Revisionisten nennen muß: “Das wissen Sie besser als ich, Sie haben die
Liste. Es sind Leute aus England, aus Deutschland, aus Frankreich und aus
Australien." Treffer. Und es zeigt sich, dass die “Spiegel"-Reisenden
einige Namen der für ihre Meinungen im Gefangnis Inhaftierten gut kennen:
“Vermutlich meinen Sie zum Beispiel den Briten David Irving, den Deutsch-Kanadier
Ernst Zündel, der in Mannheim vor Gericht steht, und den Franzosen Georges
Theil."
Der Zweite Weltkrieg war ein riesiges Verbrechen
Aust und Co. Wissen um die Brisanz und versuchen, das Thema
auf Israel zu lenken. Aber Ahmadinedschad setzt noch einen drauf: “Ich
glaube, dass heute auch das deutsche Volk der Gefangene des Holokaust ist.
Im Zweiten Weltkrieg sind 60 Millionen Menschen gefallen, der Zweite
Weltkrieg war ein riesiges Verbrechen. Wir verurteilen all das, wir sind
gegen Blutvergießen, und zwar unabhängig davon, ob ein Verbrechen gegen
einen Muslim oder gegen einen Christen oder Juden begangen wird. Die Frage
aber ist: warum stehen unter diesen 60 Millionen Opfern nur die Juden im
Mittelpunkt der Aufmerksamkeit?"
Unerhört und irritierend, weshalb die Spitzenjournalisten
sich lieber gleich noch einmal und ein für allemal zur Kollektivschuld
bekennen: “Wir als Deutsche können uns nicht von einer speziellen Schuld
freimachen, nämlich von der systematischen Ermordung der Juden. Aber
vielleicht sollten wir nun doch zum nächsten Thema übergehen.
Um die Tragweite der braven Antworten des “Spiegel"-Trios
zu verstehen, lohnt es sich, beim im Sommer verstorbenen ef-Redaktionsbeirat
und großen Libertären Gerard Radnitzky nachzuschlagen. Dieser schrieb
nämlich im Mai 2003 in dieser Zeitschrift: “Als ich in die BRD
einwanderte, kam ich aus den USA, meine akademische Ausbildung hatte ich in
Schweden absolviert, und ich dachte, ich käme in ein normales Land. Bei
Exoten gibt es Ehrkulturen und Schamkulturen. In der BDR gibt es einen
Erbschuldkult: Schuld wird nicht auf Personen bezogen, sondern auf ein
Kollektiv, auf das deutsche Volk, sie wird geerbt: Rassismus! Ein Kuriosum,
das sich als eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln entpuppte. Man
würde vermuten, dass Kollektivschuldbehauptungen als Verstoß gegen die
Menschenwürde des Individuums strafbar seien. Das Gegenteil ist jedoch der
Fall: in der Bundesrepublik könnte man unter Umständen bestraft werden,
wenn man sich gegen die aus “Singularität" abgeleitete
Kollektivschuldzurechnung wendet, weil dies eine “Relativierung"
impliziere, die gegen die Menschenwürde gerichtet sei. Um das Phänomen zu
beschreiben, braucht man Begriffe aus der Psychopathologie und
Religionssoziologie. Beim ständigen Insistieren auf Handlungen ihrer Väter-
oder Großvätergeneration - ganz unabhängig von ihrem eigenen Tun und
Lassen - handelt es sich um nichts anderes als um eine Form der Rassismus:
aufgrund “seiner" Vergangenheit ist 'der Deutsche' moralisch
minderwertig."
Auch Ahmadinedschad lässt den Rassismus des “Spiegel"
nicht durchgehen: “Nein, ich habe eine Frage an Sie. Was für eine Rolle
hat die heutige Jugend im Zweiten Weltkrieg gespielt? Warum soll sie
Schuldgefühle haben? Warum sollen die Kosten für die Zionisten aus ihrer
Tasche bezahlt werden? Wenn Leute damals Verbrechen begangen haben, dann
mussten sie vor 60 Jahren vor Gericht gebracht werden. Schluß! Warum muß
das deutsche Volk heute dafür erniedrigt werden, dass es im Laufe der
Geschichte eine Gruppe von Menschen gab, die Verbrechen begangen haben?"
Der “Spiegel" stammelt: Das heutige deutsche Volk
kann nichts dafür. Aber es gibt eine Art Kollektivscham für jene Taten,
die unsere Väter oder Großväter in deutschem Namen begingen."
Ahmadinedschad, inzwischen souveräner Moderator des “Spiegel"-Gesprächs,
fragt relativ gnädig weil formaljuristisch: “Wie kann eine Person, die
zur damaligen Zeit gar nicht gelebt hat, juristisch verantwortlich sein?"
Der “Spiegel" auf der Rückzugslinie: “Nicht
juristisch, sondern moralisch."
Der Moralismus der Mainstreammedien
Auch hier lohnt es innezuhalten. Der konsequente Liberale
Radnitzky hat den “Schuldkult-Rassismus und Moralismus" von Medien
wie dem Spiegel wie folgt begründet: “Die Strategie ist zweckrational:
wenn es gelingt, bei den Massen ein Schuldbewußtsein zu erzeugen und wach
zu halten, dann sind sie fügsam, bereit, Buße zu tun. Und sie sind
erpressbar, auch in finanzieller Hinsicht. Cui bono? Interessengruppen, die
davon profitieren, sind leicht zu identifizieren. Auch Politiker und
Medienmächtige sind an der Massenhysterisierung interessiert, bereits
deswegen, weil sie ihnen Gelegenheit bietet, als Moralapostel zu posieren
und Opponenten als unmoralisch auszuschalten. Kurz, für alle involvierten
Entscheidungsträger ist es zweckrational, das Spiel mitzuspielen."
Nun ist Ahmadinedschad anders als Radnitzky kein
Individualist oder Liberaler, weshalb es sich an dieser Stelle mitten im
ehrwürdigen “Spiegel" wie folgt in die Herzen der deutschnationalen
Kollektivisten spielt: “Warum wird dem deutschen Volk soviel auferlegt?
Das deutsche Volk trägt heute keine Schuld. Warum darf das deutsche Volk
nicht das Recht haben, sich zu verteidigen? Warum werden die Verbrechen
einer Gruppe so betont, anstatt vielmehr das große deutsche Kulturerbe
herauszustellen? Warum sollen die Deutschen nicht das Recht haben, ihre
Meinung frei zu äußern? Ich habe eine Frage an Sie. Wie lange soll das so
weitergehen ? Wie lange, glauben Sie, muß das deutsche Volk die Geisel der
Zionisten sein? Wann ist das zu Ende, in 20,50, in tausend Jahren?"
Der “Spiegel stammelt: Wir sind kritisch, wir sind
unabhängig, wir lassen jedoch nicht zu, jedenfalls nicht ohne Protest, dass
das Existenzrecht des Staates Israel in Frage gestellt wird."
Und wieder hat Ahmadinedschad sie da, wo er sie haben wollte:
“Ich freue mich, dass Sie ehrliche Menschen sind und sagen, dass Sie
verpflichtet sind, die Zionisten zu unterstützen."
Der “Spiegel" fühlt sich wie einst Tony Blair sicher
und antwortet: “Das haben wir nicht gesagt, Herr Präsident".
Darauf Ahmadinedschad kurz und schmerzlos: “Sie haben
Israelis gesagt."
Man wird wohl nie erfahren, wie viele Leser des “Spiegel"
nach Lektüre des Interviews Zweifel am Ausmaß des Holokaust bekamen. Wie
viele Leser werden wohl anschließend neugierig auf revisionistischen
Internet-Seiten weitergesurft haben? Hunderte? Tausende? Zehntausende?
Das alles lag natürlich nicht in der Absicht der
bedauernswerten “Spiegel"-Profis. So wie es nicht die Absicht der
Politik ist, durch Meinungsverbote diese abseitigen Meinungen gerade erst
interessant zu machen. Kritik muß sich der “Spiegel" dennoch
gefallen lassen. Am Tag nach Erscheinen des Interviews sah man sich sogar
gezwungen, auf “Spiegel Online" ein wenig zurückzurudern. Hubert
Kleiner kommentierte dort das Interview des eigenen Hauses wie folgt: “Wer
die aktuelle Ausgabe des Spiegel durchsieht, wird in dieser Woche dort ein
Interview finden, das, soweit ich sehen kann, in dieser Form ohne Beispiel
ist: ein leibhaftiger iranischer Staatspräsident verbreitet sich per
Interview seitenweise über angebliche Ungeklärtheit des Holokaust. Ganz
unverhohlen werden dabei die zentralen Argumentationsfiguren wiederholt, die
für gewöhnlich zu Haftbefehlen und Verurteilungen führen, wenn sie in der
rechtsextremen Szene öffentlich geäußert werden." Der frühere enge
Vertraute von Joschka Fischer und heutige Professor für Politikwissenschaft
fügt hinzu: Wer öffentlich so redet, bekäme hierzulande nicht Besuch von
Redakteuren namhafter Zeitschriften, sondern von der Staatsanwaltschaft."
Die Suche nach dem neuen Hitler
Der iranische Präsident ist wie fast jeder Politiker ein
übler Typ, ein Kollektivist und letztlich als Verantwortlicher für
Steuerraub auch ein Dieb. Darüberhinaus ist er vermutlich auch ein
hasserfüllter Antisemit. Und doch ist er genauso wenig ein neuer Hitler
(Charlotte Knoblauch) wie George Bush (Herta Däubler-Gmelin). Auch die “Holokaustleugner"
sind vermutlich alles andere als sympathische Zeitgenossen. Die meisten sind
vermutlich einfach widerliche Nazis. Und doch hat zum Beispiel der in
Mannheim inhaftierte “Holokaustleugner" Germar Rudolf eine kleine
Tochter, welcher von der deutschen Justiz der Vater entrissen wurde und
welche nun bis zu seiner Freilassung in einigen Jahren von ihrer Mutter
alleine großgezogen werden muß. Und das nur, weil ihr Vater eine amtlich
nicht genehme Meinung äußerte.
Es wird Zeit, dass Leuten wie Ahmadinedschad das Handwerk
gelegt wird. Nicht durch ein weiteres Interview im “Spiegel". Der hat
sich genug blamiert. Sondern durch wirkliche Meinungsfreiheit in
Deutschland.
David Schah formulierte es in dieser Zeitschrift bereits im
Dezember 2005 wie folgt: Wenn ein Liberaler die Meinungsfreiheit
ausgerechnet derjenigen verteidigt, die er für moralisch verkommen und
deren Ansichten er für gemeingefährlich hält, dann basiert das auf dem
Grundsatz, dass meine Freiheit auch immer die Freiheit der Andersdenkenden
ist. Sobald man dieses Prinzip durch Staat und Justiz auch nur ausnahmsweise
außer Kraft setzen will, weil einem eine bestimmte Ansicht zuwider ist,
stellt man auch seine eigene Meinungsfreiheit auf tönerne Füße."
Ahmadinedschad hat die tönernen Füße laut vernehmlich im
“Spiegel" zerschlagen.
Es ist nun an der Zeit, die Scherben aufzusammeln und
wegzufegen. Oder noch einmal in den Worten von David Schah: “Eigentlich
sollte ein Aufschrei zugunsten der Meinungsfreiheit für jedes freie
Presseorgan eine Selbstverständlichkeit sein." Der “Spiegel"
jedenfalls hätte sich so einige Peinlichkeit erspart.
Oder war das Interview ganz versteckt und (hinter)listig
genau dieser Aufschrei? Wollten die Erben Augsteins nur aufzeigen, wie
beschränkt doch die tabuisierte Diskussion ist? Zuzutrauen wäre so etwas
unter allen Mainstreammedien nur dem Spiegel unter Stefan Aust - er hat
schließlich schon einige ähnliche Tabus in den letzten Jahren geschliffen.
Dann allerdings würde dem “Spiegel" Hochachtung gebühren. Ein
Meilenstein in der deutschen Mediengeschichte ist das Interview so oder so.
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