Der Zündel Prozeß - Erster Verhandlungstag
 

 

November 21, 2005

Der Zündel Prozeß -

Erster Verhandlungstag

Markus Haverkamp

Am Dienstagmorgen, den 8. November 2005, fanden sich etwa 80 Anhänger von Ernst Zündel und 35 Medien--vertreter beim Landgericht Mannheim ein, das für seinen Eifer und seine Dreistigkeit bei der Verfolgung von Revisionisten bekannt ist.

Es herrschte eine ganz besondere Atmosphäre. Sogar aus Kanada, Großbritannien, Frankreich und der Schweiz waren Anhänger von Ernst Zündel angereist.

Nachdem die Polizei die üblichen Sicherheits-prozeduren vorgenommen hatte, begann die Verhandlung kurz nach 9 Uhr. Das Gericht setzte sich zusammen aus dem Vorsitzenden Richter Dr. Ulrich Meinerzhagen, der Richterin Petra Krebs-Dörr und dem Richter Holger Hamm sowie den Schöffen Robert Bradneck und Günter Menz. Für die Staatsanwaltschaft war Andreas Grossmann erschienen.

Ernst Zündel, in Jackett und Krawatte, machte einen gesunden und zuversichtlichen Eindruck. Er wurde von Frau Sylvia Stolz vertreten, die er als seine Pflicht-verteidigerin gewählt hatte, wie auch von seinen Wahlverteidigern Jürgen Rieger und Dr. Herbert Schaller aus Österreich. Frau Stolz hatte Horst Mahler als Assistenten. Damit war Ernst Zündel durch das wohl erfahrenste und sachkundigste Verteidiger-Team vertreten, das sich in Fragen der Holocaust-Verfolgung finden läßt.

Das Verfahren begann mit der Aufnahme der Personalien von Ernst Zündel, dann fing Richter Dr. Meinerzhagen an, das Team der Verteidiger anzugreifen. Zuerst verlas er laut das vorläufige Berufsverbot für Horst Mahler, das durch das Amtsgericht Tiergarten verhängt worden ist. Er zitierte dabei ausgiebig Horst Mahlers Bemerkungen zum Revisionismus, der Jüdischen Frage und dem Rechtsstatus des Deutschen Reiches.

Dann forderte Dr. Meinerzhagen, Horst Mahler solle von seiner Funktion als Assistent von Frau Stolz enthoben werden. Frau Stolz wies darauf hin, daß es keinen Grund für eine Entlassung Horst Mahlers gebe, da dieser nicht als Anwalt, sondern nur als ihr Assistent tätig sei. Meinerzhagen erwiderte, daß Horst Mahlers Einfluß auf die Verteidigung offenbar beträchtlich sei, worauf Frau Stolz entgegnete, daß es allein ihrer Verantwortung unterliege, welche Schriftsätze sie für die Verteidigung einreiche. Darauf drohte der Richter, Horst Mahler mit Gewalt zu entfernen und einen Tag lang in Haft zu nehmen.

Das Publikum reagierte mit ungläubigem Kopf-schütteln. Jürgen Rieger brachte vor, daß es solche Angriffe gegen die Verteidigung nicht einmal im sowjetischen Gulag gab. Da Sylvia Stolz darauf beharrte, Horst Mahler als ihren Assistenten zu haben, ordnete Meinerzhagen an, Mahler durch die Polizei aus dem Gerichtssaal entfernen zu lassen. Die Wachtmeister standen bereits hinter Horst Mahler, als Frau Stolz erklärte, daß diese Entscheidung allein ihr zukomme und nicht dem Gericht, und daß sie sich angesichts der Drohung mit Gewalt gezwungen sehe, Horst Mahler von seinen Pflichten als ihrem Assistenten zu entlassen. Horst Mahler nahm daraufhin bei den Zuhörern Platz.

Das Publikum zeigte seine Empörung, worauf der Richter drohte, die Öffentlichkeit von der Verhandlung auszuschließen. Doch das war erst der Anfang - Dr. Meinerzhagen war eben erst in Fahrt gekommen.

Der Richter verlas darauf den Beschluß des Gerichts vom 7.11.05, der den Antrag der Verteidigung ablehnte, das Verfahren auszusetzen bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ob § 130 StGB (Holocaust-Maulkorb) mit § 5 Grundgesetz (Meinungsfreiheit) vereinbar sei sowie Ernst Zündel bis dahin aus der Haft zu entlassen.

Dann machte der Richter deutlich, daß jegliche “Volksverhetzung" durch die Verteidigung mit aller Schärfe gestoppt würde. Er erklärte, daß die Verteidigung Begriffe benutze und Dinge nenne, mit denen sie sich selbst der Gefahr aussetze, einer Verletzung von § 130 StGB angeklagt zu werden. Er wolle nicht “pseudowissenschaftliche Ansichten anhören, da der Holocaust eine historisch gesicherte Tatsache" sei. Dies bewirkte nicht nur Gelächter beim Publikum, sondern zeigt auch die Voreingenommenheit des Gerichts.

Gesetzgebung ist keine Rechtsfindung

Horst Mahler hat darauf hingewiesen, daß § 130 keine Rechtsnorm ist. In einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ist es grundsätzlich die Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob eine gesetzliche Bestimmung auch eine Rechtsnorm darstellt. Dies ist eine Konsequenz der Gewaltenteilung gemäß Montes-quieu. Die vom Parlament erlassenen Bestimmungen, die als Gesetze bezeichnet werden, sind nämlich a priori keine Rechtsnormen, weil sie Ausdruck politischer Interessen (Gruppeninteressen und persönlicher Interessen) sind. Nach den Grundsätzen der Prozeßordnung müßten die politischen Entscheidungs-träger von einer Beteiligung an der Gesetzgebung wegen Befangenheit ausge-schlossen werden. Es versteht sich von selbst, daß Bestimmungen, die als Grundlagen der Rechtsfindung dienen, auch selbst Rechtsnormen sein müssen.

Erste Aufgabe des Gerichts ist also zu prüfen, ob eine politische Entscheidung auch eine Rechtsnorm darstellt. Diese Prüfung ist eine ständige Prüfung, sie kann nicht durch eine einmalige Feststellung, (z.B. eine sog. höchstrichterliche Rechtsprechung) ersetzt werden, denn keine Entscheidungen der Gerichte sind in absolutem Sinne bindend. Sie dienen nur als eine Richtlinie, der gefolgt werden kann oder eben nicht. Maßgebend hierfür ist nur das Recht. Und das Recht im weitesten Sinne dieses Begriffes ist nicht geschrieben, sondern ein allem anderen übergeordneter Grundsatz. Hier kann auf eine nicht nur jahrhundertealte, sondern jahrtausendealte Rechtstradition verwiesen werden.

Richter Meinerzhagen hat diese Prüfung nicht durchgeführt. Er postuliert a priori, daß die zu erwarten-den Einwände der Verteidiger rechtswidrig seien.

Dabei berücksichtigt er nicht, daß für einen neutralen Richter auch das Gegenteil denkbar sein muß: daß der entgegengesetzte Standpunkt - nämlich die landläufige Behauptung über den Holocaust - rechts-widrig sein könnte.

Die Frage, ob § 130 StGB eine Rechtsnorm ist, gehört zu dem Prozeßstoff, über die ein unvor-ein-genommener Richter noch gar keine Meinung haben darf. Wenn er also der Verteidigung unterstellt, § 130 StGB zu verletzen (oder dies zu wollen), so bringt er damit zum Ausdruck, daß er nicht prüfen will, ob § 130 StGB überhaupt eine Rechtsnorm ist.

Die Wahrheitsfindung in diesem Zusammenhang fällt nicht in den Kompetenzbereich der Gerichte, sondern nur in den der Wissenschaft, also der Historiker. Es ist eine Pervertierung des Rechts, gerade die Wissenschaftler vor Gericht zu stellen, deren Aussage für das Gericht bei der rechtlichen Beurteilung bindend ist.

Richter Meinerzhagen kann nicht Ernst Zündel mit Hilfe des Rechts vorschreiben, was dieser über den Holocaust denken und sagen soll. Dagegen kann Ernst Zündel mit Ausgangspunkt in der Wissenschaft den Richtern vorschreiben, was sie zu berücksichtigen haben.

Richter als Staatsanwalt

Dr. Meinerzhagen fuhr fort, es sei nicht sicher, ob Sylvia Stolz als Pflichtverteidiger für Ernst Zündel geeignet sei, da es wahrscheinlich sei, daß sie sich selbst einer Verletzung von § 130 StGB schuldig machen würde. Da Ernst Zündel somit wahrscheinlich seinen Pflichtverteidiger verlöre, würde sich das Verfahren verzögern. Daher sollte die Bestellung von Frau Stolz als Pflichtverteidigerin widerrufen werden.

Nachdem Ernst Zündel klar gemacht hatte, daß er durch Frau Stolz vertreten sein wollte, unterbrach die Kammer die Sitzung für eine Beratung. Danach widerrief das Gericht die Berufung von Frau Stolz als Pflichtverteidigerin für Ernst Zündel.

Dr. Meinerzhagen fuhr dann fort mit einer Erklärung, daß auch Jürgen Rieger nicht als Pflichtanwalt für den Angeklagten geeignet sei, weil es bekannt sei, daß Rieger selbst revisionistische Auffassungen vertrete und zu befürchten sei, daß er in dieser Sache nicht objektiv sei. Der Richter befaßte sich dann mit Jürgen Riegers Vergangenheit - wobei er Dinge anführte, von denen er, - wie Jürgen Rieger anschließend feststellte - unter Verletzung des Datenschutzgesetzes Kenntnis erlangt hatte. Als nächstes kam Dr. Schaller an die Reihe. Auch er war in den Augen des Richters nicht als Pflichtverteidiger für Ernst Zündel geeignet: Aufgrund seines hohen Alters sei nicht gewährleistet, daß er diese Aufgabe durchführen könne.

Jürgen Rieger wies in seiner überzeugend und brillant formulierten Erwiderung darauf hin, daß Konrad Adenauer bis weit in seine Siebzigerjahre wohlauf war, nachdem er Kanzler der Bundesrepublik geworden war. Dieser und andere Einwände veranlaßten das Publikum, seine Zustimmung zu bekunden. Kichern und Lachen ertönte im Saal.

Die Absicht des Richters war leicht durchschaubar: Ernst Zündels brillantes Verteidigerteam sollte eliminiert werden, so daß das Gericht einen Pflichtverteidiger eigener Wahl bestellen könnte, einen Pflichtverteidiger, der keine Anträge stellt und keine Zeugen befragt und der das Verfahren in Übereinstimmung mit dem Gericht durchführt. Aber die Verteidigung ließ sich nicht einschüchtern.

Nachdem er die Möglichkeit ausgeschlossen hatte, daß Zündel einen Pflichtverteidiger eigener Wahl bekäme, fragte der Richter, wie weiter verfahren werden solle. Der Angeklagte erklärte, er wolle Dr. Schaller als Pflichtverteidiger und Sylvia Stolz und Jürgen Rieger als Wahlverteidiger nehmen. (Bei Verfahren vor dem Landgericht ist es erforderlich, daß der Angeklagte einen Pflichtverteidiger hat. Er kann auch bis zu drei Wahlverteidiger nehmen.) RA Rieger führte aus, daß bei einer solchen Regelung das Verfahren nicht unterbrochen werden müsse, falls das Gericht - was unnötig sei - einen Pflichtverteidiger bestellen wolle. Frau Stolz erklärte, daß, wenn das Gericht einen Pflichtanwalt wolle, der das Vertrauen von Ernst Zündel genieße, die Kammer auch entsprechend verfahren müsse, - es sei denn, das Gericht habe andere Absichten.

Es folgte eine Unterbrechung der Verhandlung für eine Mittagspause von 90 Minuten.

Während dieser Mittagspause gaben die Verteidiger wie auch der Staatsanwalt - der zugleich auch Pressesprecher ist - Erklärungen für die Presse ab. Während einem Interview mit dem Staatsanwalt fragte diesen ein Anhänger von Zündel vor laufender Kamera: “Wie können Sie nachts noch schlafen?" Die Polizei führte ihn sofort weg.

Nach dem Mittagessen und den erneuten Sicherheits-kontrollen, bei denen die Polizei zunehmend freundlicher wurde, kehrten wir in den Gerichtssaal zurück. Jürgen Rieger stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter und verlas ihn. Jürgen Riegers Redekunst und Argumentationskraft können leider nicht wiedergegeben werden. Nach Jürgen Riegers Antrag erklärte Sylvia Stolz, daß die Verteidigung öffentlich bedroht worden sei, nichts zu sagen, was das Gericht nicht hören wolle, daß dies ein Übergriff sei und daß solche Gedanken nur das Ergebnis kranker Gehirne sein könne.

Frau Stolz beantragte dann, die Öffentlichkeit vom weiteren Verfahren auszuschließen, da die Verteidigung vom Gericht wegen Verletzung von § 130 StGB. mit Verfolgung bedroht werde (Dieser Tatbestand kann nur erfüllt werden, wenn das “Verbrechen" öffentlich erfolgt). Wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen sei, wäre die Verteidigung in der Lage, “verbotene Gedanken" zu äußert, ohne sich strafbar zu machen. Sylvia Stolz wies darauf hin, daß, wenn das Gericht ein öffentliches Verfahren wolle, die Verteidigung Gefahr laufe, verfolgt zu werden.

Das Gericht beschloß hierauf, sich bis Dienstag den 15. 11. 05 um 10 Uhr zu vertagen.

Beim Verlassen des Gerichtssaales war die Sym-pathie der Polizisten, die während des ganzen Verfahrens anwesend gewesen war, sehr deutlich: zustimmende Bekundungen, Auf-die-Schulter-Klopfen usw.

Die Bilanz dieses Tages ist Folgendes: Dr. Meinerz-hagen zeigte deutlich seine Voreingenommenheit und seinen Willen, die Verteidigung von Ernst Zündel unmöglich zu machen, wie auch seine Absicht, keine Beweise zuzulassen, die die Anwälte zur Verteidigung des Angeklagten fordern oder führen würden.

Außerdem verstieß der Richter gegen grundlegende Rechtsnormen

ß indem er öffentlich die Verteidigung bedrohte, bevor diese überhaupt mit der Verteidigung des Angeklagten begonnen hatte,

ß

ß indem er Horst Mahler zwang, die Verteidigerbank zu verlassen und

ß

ß indem er die Bestellung von Sylvia Stolz als Pflichtverteidiger widerrief.

Es war deutlich, daß dies ein Schauprozeß war.

Das Verteidigerteam führte den Kampf hervorragend, Jürgen Rieger mit seinen handfesten und geistreichen Kommentaren und Sylvia Stolz mit ihrem ruhigen, gemessenen und entschiedenen Auftreten.

 

 

 

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