Protestmarsch von Neonazis?
 

 

March 6, 2005

Protestmarsch von Neonazis? 

Gestern Abend: Starke Polizeipräsenz in der Innenstadt

Von unserem Redaktionsmitglied Peter W. Ragge

Überall Streifenwagen gestern Abend in der Innenstadt: Eine Gruppe von rund 50 Neonazis rief die Polizei auf den Plan. Mehrere Zeugen hatten unabhängig voneinander dem Präsidium gemeldet, dass sich ein Demonstrationszug mit Personen des rechten Spektrums durch die Planken und am Paradeplatz vorbei Richtung Schloss bewege, sogar ein Transparent mitführe. Die Polizei rückte daraufhin sofort mit starken Kräften aus - doch von den Demonstranten war bis in die Nacht nichts mehr zu sehen.

Die Neonazis seien ohne jede Vorwarnung am Paradeplatz aufgetaucht, hieß es. Sowohl ein MVV-Stadtbahnfahrer als auch Teilnehmer eines im Stadthaus stattfindenden Seminars sowie Passanten beobachteten sie für kurze Zeit. Doch kaum richtete die Polizei die Kameras der Videoüberwachung auf die Gruppe und schickte den ersten Streifenwagen los, löste sich der kleine Demonstrationszug auf, verschwanden die Teilnehmer sofort unerkannt in alle Richtungen.

Die Polizei zog dennoch starke Kräfte aus sämtlichen Revieren zusammen, schickte den Einsatzzug los. Polizeioberrat Klaus Pietsch, Chef des Neckarstadt-Reviers, verließ die Bezirksbeiratssitzung des Stadtteils und übernahm die Einsatzleitung. Sogar aus Heidelberg, Karlsruhe und - im Zuge der grenzüberschreitenden Hilfe der Bundesländer - aus Ludwigshafen wurden Uniformierte in die Quadrate beordert, an bestimmten Stellen Fahrzeuge postiert, andere fuhren Patrouille durch die Quadrate, Neckarstadt und Jungbusch. Beamte des Dezernats Staatsschutz der Kripo waren ebenso unterwegs, suchten die einschlägigen Treffpunkte und Lokale auf. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe entdeckten sie jedoch keine Neonazis mehr auf der Straße. "Es ist völlig ruhig, aber wir sind weiter äußerst wachsam", erklärte Klaus Pietsch. Die starke Präsenz wurde bis spät in die Nacht aufrechterhalten, zudem Treffpunkte von Linksextremen beobachtet, um eventuelle Zusammenstöße zu verhindern, und auch die Justizvollzugsanstalt in der Herzogenriedstraße behielten die Polizisten im Auge.

Dort sitzt seit seiner Abschiebung aus Kanada der deutsche Rechtsextremist und Holocaust-Leugner Ernst Zündel (65). Er war vorgestern auf dem Frankfurter Flughafen eingetroffen und anschließend nach Mannheim gebracht worden. Vermutlich, so Experten der Polizei, wollten die Neonazis der Region ihm ihre Sympathie oder Solidarität bekunden. Bei einer Zahl von rund 50 Demonstranten müsse es sich aber schon um Neonazis aus der gesamten Region gehandelt haben, nehmen Staatsschützer an. Eine sehr kurze, jedoch plakative Aktion reiche ihnen auch aus, um gegenüber dem Inhaftierten und in ihren Kreisen betonen zu können, man habe ja öffentlich für ihn Partei ergriffen.

Die sich als "junge, heimattreue Deutsche" bezeichnenden Neonazis der Region haben sich im August 2003 zum im Viernheim ansässigen "Aktionsbüro Rhein-Neckar" zusammengeschlossen. Dazu gehören so genannte "Kameradschaften" von der Bergstrasse, Hockenheim/Schwetzingen, Ludwigshafen, Vorderpfalz, "Neues Mannheim" und "Junge Deutsche (JD) Rhein-Neckar", die sich als "freidenkende, außerparlamentarische Opposition" sehen. Unter der Regie des Büros hat es "MM"-Informationen zufolge erst vor wenigen Tagen eine Gedenkveranstaltung für Horst Wessel mit einem rechtsextremen Liedermacher gegeben in der Region. Am 1. Mai ist in Worms und Frankenthal eine Demonstration von Rechtsextremen geplant. Ob das Büro auch die gestrige Aktion geplant hat oder ob dazu Neonazis aus anderen Regionen nach Mannheim fuhren, blieb gestern Nacht unklar.

© Mannheimer Morgen - 03.03.2005

 

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