Aus The Journal of Historical Review Ausgabe Mai/Juni 1996 (Übersetzung)
( Murray N. Rothbard )
Dieses Essay ist nachgedruckt aus der Frühjahrsausgabe des Rampart
Journal of Individualistic Thought von 1966 (Band 2, Nr. 1).
Revisionismus, angewandt wie im Falle des II. Weltkrieges und seinen Ursprüngen
(wie auch für vorangegangene Kriege), hat die allgemeine Funktion,
einer amerikanischen und Weltöffentlichkeit, die durch Kriegslügen
und Propaganda betäubt worden sind, historische Wahrheit zur Kenntnis
zu bringen. Dies, in sich selbst, ist eine gute Sache. Natürlich mögen
manche Wahrheiten in der Geschichte zum großen Teil von antiquarischem
Interesse sein, mit geringer Bedeutung für die heutige Zeit. Das trifft
jedoch nicht auf den Revisionismus für den II. Weltkrieg zu, der eine
große Tragweite für die heutige Welt hat.
Die kleinste Lektion, die der Revisionismus uns lehren kann, ist bereits
gründlich gelernt: Daß Deutschland und Japan nicht einmalige
"Angreifer-Nationen" sind, von Geburt an dazu verdammt, den Frieden
der Welt zu bedrohen. Die größeren Lektionen müssen, unglücklicherweise,
noch gelernt werden. Die Vereinigten Staaten sind wieder dem "Komplex
von Furcht und Stolz" (die brilliante Formulierung von Garet Garrett)
ausgeliefert, der uns und die westliche Welt in unserem Jahrhundert in
zwei andere Katastrophen hineingetrieben hat. Abermals ist die amerikanische
Öffentlichkeit einem fast einstimmigen Sperrfeuer von Propaganda und
Kriegshysterie ausgesetzt, so daß nur diejenigen, die am eingehendsten
prüfen und die den klarsten Verstand haben, ihren Kopf behalten können.
Wieder einmal stellen wir fest, daß auf der Szene ein Feind erstanden
ist, ein Böser Typ, mit denselben Merkmalen des Bösen Typen,
von denen wir bereits früher gehört haben; ein diabolischer,
monolithischer Feind, der - vor Generationen - in einigen "heiligen
Texten" beschloß (aus Gründen, die verborgen bleiben),
daß er "die Absicht hatte, die Welt zu erobern."
Seitdem hat der Feind, dunkel, geheimnisvoll, diabolisch, "ein Komplott
geschmiedet", die Welt zu erobern, eine riesige und mächtige
und überwaltigende Militärmaschine, und auch eine mächtige
internationale und "subversive" "Fünfte Kolonne"
aufzubauen, die als eine Armee von bloßen Marionetten, als Agenten
des feindlichen Hauptquartiers funktioniert, bereit, Spionage, Sabotage
oder jede andere Tätigkeit, andere Staaten zu "unterminieren"
auszuüben. Der Feind ist darum "monolithisch", allein und
strikt von ein paar Meister-Herrschern von oben gelenkt, und immer von
der alleinigen Absicht beherrscht, die Welt zu erobern. Das Modell, das
wir im Gedächtnis haben sollen, ist das des Dr. Fu Manchu, hier als
internationaler Schwarzer Mann voraustrottend.
Darum ist der Feind, sagt die Kriegspropaganda, nur von einer Absicht geleitet:
Eroberung der Welt. Er leidet nie unter solchen Gefühlen wie Furcht
- Furcht, daß wir ihn angreifen könnten - oder zu glauben, daß
er in Selbstverteidigung handelt oder aus Selbstachtung und dem Wunsch,
vor sich selbst ebenso wie vor anderen das Gesicht zu wahren. Noch hat
er solche menschlichen Eigenschaften wie Vernunft.
Nein, es gibt nur eine einzige andere Gefühlsregung, die seine Macht
brechen kann: Nur überlegene Kraft wird ihn veranlassen, "nachzugeben".
Das ist, weil er - wenn auch ein Fu Manchu - wie ein böser Typ in
den Westernfilmen ist: Er wird dem Guten Typen gegenüber nur nachgeben,
wenn der Gute Typ stark, bis an die Zähne bewaffnet, von seinem Vorhaben
überzeugt ist usw. Daher der Komplex von: Furcht vor der angeblich
unumstößlichen und dauernden Verschwörung des Feindes;
Stolz auf die ungeheure militärische Macht Amerikas und seine dauernde
Einmischung überall in der Welt, um den Feind "unter Kontrolle
zu halten", "zurückzuschlagen" usw. oder die "unterdrückten
Nationen" zu "befreien".
Nun lehrt uns der Revisionismus, daß der ganze Mythos über Hitler
und die Japaner, damals wie heute weit verbreitet, von Anfang bis Ende
ein Gewebe von Trugschlüssen ist. Jedes Teil in diesen alptraumartigen
Beweisen ist entweder vollkommen unwahr oder nicht ganz die Wahrheit. Wenn
die Menschen über diese intellektuelle Fälschung von Hitlers
Deutschland hören, werden sie anfangen, Fragen zu stellen, und forschende
Fragen über die gegenwärtige Version des Weltkriegs Nr. III mit
demselben Mythos. Nichts würde den gegenwärtigen Hals-über-Kopf
Flug in den Krieg schneller stoppen oder die Menschen nach einer langen
Orgie von Gefühlen und Klischee dazu veranlassen, über Außenpolitik
wieder einmal vernünftig nachzudenken.
Daß derselbe Mythos nun auf denselben alten Täuschungen aufgebaut
ist, kann man daran erkennen, daß die alten Kalten Krieger zunehmend
Gebrauch von dem "München Mythos" machen: Die fortlaufend
wiederholte Anschuldigung, daß es die "Zugeständnisse"
dem "Angreifer" in München gegenüber waren, die seine
"Angriffslust" "nährten" (wieder der Vergleich
mit Fu Manchu oder dem wilden Tier) und daß es den "Angreifer",
trunken von seiner Eroberung, dazu veranlaßte, einen Zweiten Weltkrieg
vom Zaun zu brechen. Dieser München Mythos ist als eines der führenden
Argumente gegen jede Art rationaler Verhandlungen mit den kommunistischen
Nationen benutzt worden und sogar dafür, das harmloseste Suchen nach
einer Übereinstimmung als "Zugeständnis" zu stigmatisieren.
Aus diesem Grunde erhielt A.J.P. Taylors ausgezeichnetes Buch Origins of
the Second World War (Ursachen des Zweiten Weltkriegs) die verzerrteste
und frenetischste Buch-Besprechung in der National Review.
Es ist Zeit, daß die Amerikaner lernen: Daß Böse Typen
(Nazis oder Kommunisten) nicht notwendigerweise wollen oder wünschen
oder darauf aus sind, die Welt "zu erobern" (ihre Hoffnung auf
"Eroberung" könnte strikt ideoligisch und überhaupt
nicht militärisch sein); daß die Bösen Typen auch die Möglichkeit
eines Angriffs unserer ungeheuren militärischen Macht und aggressiven
Haltung, sie anzugreifen, fürchten; daß sowohl die Bösen
Typen als auch die Guten Typen gemeinsame Interessen haben könnten,
die Verhandlungen möglich machen (z.B. daß weder der eine noch
der andere durch nukleare Waffen vernichtet werden will); daß keine
Organisation ein Monolith ist und daß Agenten oft einfach ideologische
Verbündete sind, die sich von ihren angeblichen "Herren"
trennen können und auch trennen; und daß wir schließlich
die tiefgreifendste aller Lehren daraus ziehen: Daß die Innenpolitik
einer Regierung oft in keiner Weise ein Katalog für ihre Außenpolitik
ist.
Letzten Endes leiden wir immer noch unter der Illusion Woodrow Wilsons:
Daß "Demokratien" ipso facto nie einen Krieg anfangen,
und daß "Diktaturen" immer dazu neigen, einen Krieg zu
eröffnen. So sehr wir auch die innenpolitischen Programme der meisten
Diktatoren verabscheuen mögen und verabscheuen (und sicherlich diejenigen
der Nazis und der Kommunisten), haben diese nicht notwendigerweise eine
Beziehung zu ihrer Außenpolitik: Tatsächlich waren viele Diktaturen
in der Geschichte passiv und statisch und, im Gegensatz dazu, führten
viele Demokratien dazu, Krieg zu fördern und Krieg zu führen.
Revisionismus könnte ein für allemal in der Lage sein, den Wilsonschen
Mythos zu zerstören.
Es gibt nur einen wirklichen Unterschied zwischen der Fähigkeit einer
Demokratie und einer Diktatur, Krieg zu führen: Demokratien benötigen
ausnahmslos viel mehr täuschende Kriegspropaganda, um die Öffentlichkeit
anzuheizen und zu überzeugen. Demokratien, die Krieg führen,
müssen, um ihre Bürger anzuheizen und zur selben Zeit ihre Politik
zu tarnen, viel mehr Propaganda herstellen, die weit intensiver in hypokritischer
Moral Heuchelei sein muß, um die Wähler zum Narren zu halten.
Das Fehlen einer solchen Notwendigkeit auf Seiten einer Diktatur läßt
ihre Politik oft als oberflächlich, mehr kriegsähnlich, erscheinen,
und dies ist einer der Gründe für die schlechte Presse, die sie
in diesem Jahrhundert hatten.
Die Aufgabe des Revisionismus war, diese Oberflächlichkeiten zu durchdringen
und hinter dem äußeren Erscheinungsbild die darunter verborgene
nackte Wirklichkeit zu erkennen, eine Wirklichkeit, die - ganz sicher in
diesem Jahrhundert - zeigt, daß die U.S., Großbritannien und
Frankreich - die drei großen "Demokratien" - schlimmer
darin waren als irgendwelche anderen drei Länder, Angriffskrieg zu
schüren und zu führen. Das Erkennen dieser Wahrheit würde
auf dem gegenwärtigen Schauplatz von unermeßlicher Wichtigkeit
sein.
Es sollte nicht notwendig sein, Konservative auf die Fadenscheinigkeit
des "demokratischen" Mythos hinzuweisen; das Konzept der "totalitären
Demokratie", der häufigen Neigung der Massen, Minderheiten zu
tyrannisieren, ist uns jetzt bekannt. Wenn die Konservativen die Wahrheit
in innenpolitischen Angelegenheiten erkennen können, warum nicht in
außenpolitischen?
Es gibt noch viele andere, mehr spezifische, jedoch ebenfalls wichtige
Lektionen, die die Revisionisten uns lehren können. Sowohl der Kalte
Krieg als auch der I. und II. Weltkrieg wurden von den westlichen Demokratien
in Szene gesetzt, um sich in die Angelegenheiten Osteuropas einzumischen.
Der große Machtfaktor bezüglich Osteuropas ist, daß es
das Schicksal der kleinen Nationen ist, unter die - freundliche oder nicht
freundliche - Vorherrschaft Deutschlands oder Rußlands zu geraten.
Im I. Weltkrieg führten die U.S. und Britannien Krieg, teilweise um
Rußland dabei zu helfen, sich in den Teil Osteuropas auszudehnen,
der zu der Zeit von Österreich-Ungarn und Deutschland beherrscht wurde.
Dieser Akt von unserer Seite, uns einzumischen, auf Kosten unzähliger
Leben, sowohl im Westen als auch im Osten, und auf Kosten eines ungeheuren
Wachstums in Militarismus, Statismus und Sozialismus zu Hause, führte
in Osteuropa zu einer Situation, die die U.S. und Briannien in den II.
Weltkrieg führten, um Deutschland davon abzuhalten, Osteuropa zu dominieren.
Sobald der II. Weltkrieg zu Ende war (mit seiner ungeheuren Konsequenz
einer Verstärkung von Statismus, Multikulturalismus und Sozialismus
in den U.S.), hatten die U.S. und Britannien das Gefühl, daß
sie einen Kalten Krieg starten müßten, um Rußland davon
abzuhalten, Osteuropa zu dominieren, das es als eine natürliche Konsequenz
des vereinten Sieges über Deutschland erhalten hatte. Wie lange noch
haben die Vereinigten Staaten die Absicht, mit dem Schicksal ihrer Bevölkerung
oder sogar der menschlichen Rasse selbst zu spielen, um Osteuropa eine
Lösung nach unserem Geschmack aufzuzwingen? Und falls wir einen "Holocaust"
in Erwägung ziehen sollten, um den "Kommunismus zu zerstören"
und falls (was zweifelhaft ist) einige Amerikaner übrig bleiben sollten,
um wieviel verschieden würde das amerikanische System dann vom kommunistischen
sein?
Es gab zwei Haupt-Aspekte im Kalten Krieg: Zu versuchen, eine Hegemonie
der U.S. und Britanniens über Osteuropa zu errichten und zu versuchen,
nationale Revolutionen zu unterdrücken, die unterentwickelte Länder
aus dem westlichen imperialistischen Orbit hinausbringen würden. Auch
hier wiederum kann der Revisionismus über den II. Weltkrieg uns heute
wichtige Lektionen erteilen. Weil im I. Weltkrieg England, gedeckt durch
die Vereinigten Staaten, gegen Deutschland in den Krieg ging, um zu versuchen,
einem wichtigen wirtschaftlichen Gegner, der erst spät in dem imperialistischen
Spiel gestartet war, Fesseln anzulegen. Vor dem I. und II. Weltkrieg versuchten
Britannien und Frankreich ihre imperialistische Vorherrschaft gegen die
"Habenichts" Nationen Deutschland und Japan, die erst spät
in das imperialistische Spiel hineinkamen, zu halten.
Und jetzt, nach dem II. Weltkrieg, haben die Vereinigten Staaten das imperialistische
Szepter aus den geschwächten Händen Britanniens und Frankreichs
übernommen. In dieser Weise liefert uns der Revisionismus Einblick
darin, daß Amerika jetzt der Weltkoloß des Imperialismus geworden
ist, überall in den unterentwickelten Gebieten der Erde Marionetten
-und Bezieherstaaten einrichtet und grimmig versucht, nationale Revolutionen
zu unterdrücken, die diese Länder aus dem amerikanischen Imperium
hinausbringen würden.
Wie Garet Garrett ebenfalls sagte: "Wir haben die Trennungslinie zwischen
Republik und Imperium überschritten." Da der Kommunismus sich
mit den ungeheuer populären Bewegungen für nationale Befreiung
gegen den Imperialismus verbündet hat, sind die Vereinigten Staaten
jetzt (1966), im hypokritischen Namen der "Freiheit," mit der
logischen Beendigung ihrer Politik des Kalten Krieges beschäftigt:
Dem Versuch, eine ganze Nation in Vietnam auszulöschen, um ganz sicherzustellen,
daß sie besser tot als Rot ist - und die amerikanische imperialistische
Herrschaft zu bewahren.
All diese Lektionen kann der Revisionismus uns lehren, da Revisionismus
sich letzten Endes auf Wahrheit und Rationalität stützt. Wahrheit
und Rationalität sind immer die ersten Opfer in jedem Aufruhr; und
darum sind sie wieder einmal eine so außergewöhnlich seltene
Ware auf dem heutigen "Markt". Revisionismus bringt in die künstliche
Turbulenz der täglichen Ereignisse und der tagtäglichen Propaganda
das kühle, letzten Endes jedoch wunderbare Licht der historischen
Wahrheit. Eine solche Wahrheit ist in der Welt von heute fast verzweifelt
nötig.