2. Deutsche Politik gegenüber den Juden nach Ausbruch des Krieges
Mit dem Heraufziehen des Krieges änderte sich die Lage der Juden wesentlich. Es ist nicht sehr bekannt, dass das Welt-Judentum sich im Zweiten Weltkrieg selbst als kriegführende Partei erklärte, und deshalb gab es für die Deutschen eine rechtliche Grundlage, auf der Basis internatioanaler Gesetze, die Juden als eine feindliche Macht zu internieren. Am 5. September 1939 erklärte der oberste zionistische Leiter, Chaim Weizmann, im Namen des gesamten Welt-Judentums, Krieg gegen Deutschland indem er feststellte, "dass die Juden auf Seiten Gross-Britanniens stehen und an der Seite der Demokratien kämpfen werden.... Die jüdische Agentur ist bereit, sofortige Vereinbarungen über den Gebrauch von jüdischer Manneskraft, technischen Möglichkeiten, Hilfsquellen usw., zu treffen...." (Jewish Chronicle, 8. September 1939)
Inhaftierung von feindlichen Ausländern
Alle Juden wurden damit zu Hilfswilligen im Kriege gegen das Deutsche Reich erklärt, und deshalb begannen Himmler und Heydrich mit der Politik der Inhaftierung. Es ist hierbei wichtig, zu bemerken, dass die Vereinigten Staaten und Kanada schon alle feindlichen Japaner und von Japanern Abstammende in Haftlagern festhielten, bevor die gleichen Sicherheitsmassnahmen gegenüber den europäischen Juden angewandt wurden. Darüber hinaus lag kein derartiger Beweis für Illoyalität seitens der japanischen Amerikaner vor, wie er durch Weizmann gegeben wurde. Auch die Briten hatten während des Buren-Krieges alle Frauen und Kinder der Bevölkerung interniert, und Tausende waren umgekommen, aber niemals wurden die Briten deshalb angeklagt, die Buren absichtlich ausgerottet zu haben.
Die Inhaftierung der Juden in den besetzten Ländern diente vom deutschen Standpunkt aus zwei wesentlichen Zwecken. Der erste war, Unruhe und Umsturz zu verhindern; Himmler hatte am 11. Oktober 1942 Mussolini darüber unterrichtet, dass sich die deutsche Politik gegenüber den Juden während der Kriegszeit aus militärischen Sicherheitsgründen geändert habe. Er beschwerte sich, dass Tausende von Juden in den besetzten Gebieten Partisanenkrieg führten, Sabotage und Spionage ausübten. Ein Standpunkt, den eine offizielle sowjetische Information bestätigte, die Raymond Arthur Davies gegeben wurde, wonach nicht weniger als 35.000 Juden den Partisanenkrieg unter Tito in Jugoslawien führten. Als Folge davon wurden die Juden in Sperrgebiete und Inhaftierungslager in Deutschland transportiert, und nach dem März 1941 ins Generalgouvernement in Polen.
Als der Krieg fortschritt, entwickelt sich die Politik, die Arbeitskraft der internierten Juden für die Rüstungsindustrie zu nutzen. Das Problem der Arbeitskraft ist sehr wichtig, wenn man den angeblichen Plan der Vernichtung der Juden in Betracht zieht, denn lezterer würde schon allein aus logischen Gründen die sinnlose Verschwendung von Arbeitskraft, Zeit und Energie verbieten, wenn man einen Zwei-Fronten-Krieg zum Überleben führt. Sicherlich hat der Gedanke der Zwangsarbeit für Juden nach dem Angriff auf Russland gegenüber den deutschen Plänen einer jüdischen Auswanderung überwogen.
Das Protokoll einer Unterredung zwischen Hitler und dem ungarischen Regenten Horthy am 17. April 1943, enthüllt, dass der deutsche Führer persönlich Horthy bat, 100.000 ungarische Juden für das "Verfolger-Jäger-Programm" der Luftwaffe freizugeben, und zwar zu einer Zeit, als die Luftbombardierung Deutschlands sich verstärkte. (Reitlinger, Die Endlösung, Berlin 1956, Seite 478). Das geschah, als die Deutschen angeblich schon die Vernichtung der Juden betrieben, aber Hitlers Bitte zeigt deutlich die Dringlichkeit, die Arbeitskräfte zu vermehren.
In Übereinstimmung mit diesem Programm wurden die Konzentrationslager tatsächlich Industrie-Gebiete: In jedem Lager, wo Juden und Angehörige anderer Nationalitäten interniert waren, gab es große Industrieanlagen und Fabriken der deutschen Rüstungsindustrie - die Buna-Gummi Fabrik in Bergen-Belsen, zum Beispiel, die Elektrofirma Siemens in Ravensbrück und die I.G.Farben-Industrie in Auschwitz. In vielen Fällen wurde für die geleistete Arbeit als Zahlungsmittel ein Lagergeld ausgegeben, womit die Internierten Sonderrationen in den Lagerläden kaufen konnten. Die Deutschen waren bemüht, aus dem Konzentrationslager-System soviel wie möglich an wirtschaftlicher Leistung herauszuholen, ein Ziel, das in völligem Gegensatz zu irgendeinem Plan von einer Vernichtung der Insassen stand. Es war die Aufgabe des SS Wirtschafts- und Verwaltungsamtes, geleitet von Oswald Pohl, darauf zu achten, dass aus den Konzentrationslagern die grössten Industrie-Produzenten wurden.
Auswanderung noch immer bevorzugt
Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass die Nazis bis weit in die Kriegszeit hinein die Politik der jüdischen Auswanderung durchführten. Die Niederlage Frankreichs im Jahre 1940 ermöglichte es der Reichsregierung, ernsthafte Verhandlungen mit den Franzosen aufzunehmen, mit dem Ziel, die europäischen Juden nach Madagaskar auswandern zu lassen. Ein Memorandum von Staatssekretär Luther vom Auswärtigen Amt, vom August 1942, offenbart, dass er von Juli bis November 1940 Verhandlungen leitete, die aber dann von den Franzosen beendet wurden. Ein Rundschreiben von Luthers Abteilung, datiert vom 15. August 1940, zeigt, dass die Einzelheiten dieses deutschen Planes von Adolf Eichmann ausgearbeitet waren, denn er ist unterzeichnet von seinem Stellvertreter Dannecker. Eichmann war tatsächlich im August beauftragt worden, in allen Einzelheiten einen Madagaskar-Plan auszuarbeiten, und Dannecker war damit beschäftigt, die Untersuchungen über Madagaskar im französischen Kolonialministerium durchzuführen. (Reitlinger, Die Endlösung, Seite 77). Die Vorschläge vom 15. August 1940 gingen dahin, dass eine intereuropäische Bank die Auswanderung von vier Millionen Juden durch ein Phasenprogramm finanzieren sollte.
Luthers Memorandum von 1942 zeigt, dass Heydrich Himmlers Genehmigung für diesen Plan vor Ende August 1942 erhalten und er diesen Plan Göring unterbreit hatte. Der Plan erhielt auch Hitlers Genehmigung vor dem 17. Juni 1942, denn sein Dolmetscher Schmidt wiederholte Hitlers Bemerkung gegenüber Mussolini, 'dass man einen Staat Israel auf Madagaskar gründen könnte' (Schmidt, Hitlers Dolmetscher, London 1951, Seite 178).
Obwohl die Franzosen im Dezember 1940 die Verhandlungen über Madagaskar beendet hatten, gibt Poliakov, der Direktor des World Centre of Contemporary Jewish Documentation (Weltzentrum für zeitgenössische jüdische Dokumentation) in Paris zu, dass die Deutschen trotzdem diesen Plan weiter verfolgten und Eichmann nach 1941 noch damit beschäftigt war. Durch den Fortgang des Krieges, vor allem jedoch nach der Invasion von Russland, war der Plan unausführbar geworden, und am 10. Februar 1942 wurde das Auswärtige Amt unterrichtet, dass der Plan zeitweilig aufgegeben werden müsse.
Diese Anweisung, die dem Auswärtigen Amt durch Rademacher übersandt wurde, ist von besonderer Wichtigkeit, denn sie zeigt, dass die Bezeichnung "Endlösung" nur die Aussiedlung der Juden bedeutete und damit den Transport der Juden in die östlichen Ghettos und in die Konzentrationslager, wie auch Auschwitz, und nichts anderes war, als ein Ausweichplan für die Aussiedlung. Die Anweisung lautet: "Der Krieg mit der Sowjet-Union hat in der Zwischenzeit die Möglichkeit einer Unterbringung in anderen Gebieten für die Endlösung geschaffen. Deshalb hat der Führer beschlossen, dass die Juden nicht nach Madagaskar ausgesiedelt werden, sondern in den Osten. Madagaskar soll deshalb nicht mehr in Verbindung mit der Endlösung berücksichtigt werden." (Reitlinger, ibid, Seite 79).
Die Einzelheiten dieser Umsiedlung waren einen Monat früher auf der sogenannten Wannsee-Konferenz beschlossen worden, was weiter unten untersucht werden soll.
Reitlinger und Poliakov stellen beide die völlig unbegründete Behauptung auf, dass, weil der Madagaskar-Plan nicht durchgeführt werden konnte, die Deutschen nun notwendigerweise an "Vernichtung" gedacht haben müssen. Jedoch einen Monat später schrieb Goebbels am 7. März 1942 ein Memorandum zugunsten des Madagaskar-Planes als eine "Endlösung" der jüdischen Frage (Manvell und Fraenkel, Dr. Goebbels, London, 1960, Seite 165). Für die Zwischenzeit stimmte er aber zu, dass die Juden im Osten konzentriert werden sollten. Spätere Memoranden von Goebbels betonen ebenfalls die Wichtigkeit einer Umsiedlung zum Osten, (das heißt in das General-Gouvernement Polen) und heben besonders die Wichtigkeit von Zwangsarbeit dort hervor. Nachdem die Politik der Umsiedlung eingeführt worden war, wurde der Gebrauch der jüdischen Arbeitskraft ein wesentlicher Teil des Planes. Aus dem dem Vorhergesagten geht eindeutig hervor, dass die Bezeichnung 'Endlösung' sowohl für Madagaskar als auch auf die östlichen Gebiete angewandt wurde und dass sie nur die Deportation der Juden bedeutete.
Sogar noch spät im Mai 1944 waren die Deutschen bereit, die Aussiedlung von einer Million Juden zu genehmigen. Ein Bericht über diesen Vorschlag wurde durch Alexander Weisberg, einem bekannten sowjet-jüdischen Wissenschafler, der während der stalinistischen Säuberung deportiert wurde, in seinem Buch Die Geschichte des Joel Brand (Köln, 1956) gegeben. Weisberg, der den Krieg in Krakau verbrachte, obwohl er annahm, dass die Deutschen ihn in ein Konzentrationslager sperren würden, erklärt, dass auf Himmlers persönliche Veranlassung hin Eichmann den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde von Budapest, Joel Brand, nach Istanbul schickte, um den Alliierten das Angebot zu machen, einer Million europäischer Juden die Ausreise mitten im Kriege zu erlauben. Wenn man den 'Vernichtungs-Schreiberlingen' glauben würde, dann wären im Mai 1944 kaum noch eine Millonen Juden übrig gewesen. Die Gestapo gibt zu, dass das dadurch entstehende Transportproblem eine schwere Belastung der deutschen Kriegsanstrengungen sein würde, aber sie würden die Aussiedlung erlauben, wenn dafür 10.000 Lastwagen, die ausschliesslich an der russischen Front eingesetzt würden, dafür geliefert werden. Unglücklicherweise scheiterte der Plan, denn die Briten nahmen an, dass Brand ein gefährlicher Nazi-Agent sei und steckten ihn in Kairo ins Gefängnis, während die Presse das Angebot als einen Nazi-Trick darstellte. Winston Churchill jammerte zwar laut über die Behandlung der ungarischen Juden, das sei 'das grösste und schrecklichste Verbrechen, das in der gesamten Geschichte der Welt geschehen sei'; aber er erzählte Chaim Weizmann, dass die Annahme des Angebotes ein Verrat an seinem russischen Verbündeten sein würde. Obwohl der Plan nicht zum Tragen kam, zeigte er sehr deutlich, dass niemand, der eine angeblich 'totale Vernichtung' durchführt, die Auswanderung von einer Million Juden erlauben würde, und es zeigt auch deutlich die Wichtigkeit, welche die Deutschen den Kriegsanstrengungen beimassen.