1. Deutsche Politik gegenüber den Juden vor dem Kriege
Das Deutschland Adolf Hitlers hat, zu Recht oder zu Unrecht, von den Juden angenommen, dass sie nicht gesetzestreu und ein gieriges und habsüchtiges Glied in der völkischen Gesellschaft seien. Ebenso seien sie auch eine Kraft der kulturellen Dekadenz. Dieses alles wurde von ihnen als sehr ungesund für das deutsche Volk gehalten, denn während der Weimarer Zeit hatten sich die Juden zu einer sehr beachtlichen Stärke erhoben und waren zu grossem Einfluss gelangt, besonders auf den Gebieten des Rechtswesens, der Geldwirtschaft, in der Presse, im Rundfunk, im Film und im Theater, obwohl sie nur ungefähr 0,5% der Gesamtbevölkerung ausmachten. Die Tatsache, dass Karl Marx ein Jude war, und dass solche Juden wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht eine unverhältnismässig bedeutende Rolle in den revolutionären Bewegungen in Deutschland spielten, trug dazu bei, die Nazis von den mächtigen internationalistischen und kommunistischen Tendenzen des jüdischen Volkes zu überzeugen.
Es steht hier nicht zur Debatte, ob diese Haltung der Deutschen gegenüber den Juden richtig oder unrichtig war oder die gesetzgeberischen Massnahmen diesen gegenüber recht oder unrecht waren. Wir haben uns einfach mit der Tatsache zu beschäftigen, dass für die Nazis wegen dieser Annahme, die Lösung dieses Problems war, den Juden den Einfluss innerhalb der Nation zu entziehen, und zwar durch verschiedene gesetzgeberische Massnahmen, jedoch vor allem dadurch, sie überhaupt zur Auswanderung aus dem Lande zu ermutigen. Bis 1939 war der grösste Teil der deutschen Juden ausgewandert, alle mit einem ansehnlichen Teil ihres Vermögens. Nie hatten die Naziführer zu irgendeiner Zeit ihnen gegenüber jemals die Politik eines Völkermordes überhaupt in Erwägung gezogen.
Juden nannten Auswanderung "Vernichtung"
Es ist jedoch sehr bedeutsam, dass gewisse Juden sehr schnell dabei waren, diese Politik der inneren unterschiedlichen Behandlung als Vernichtung selbst darzustellen. 1936 erschien ein antideutsches Propaganda-Buch von Leon Feuchtwanger und anderen, mit dem Titel Der Gelbe Fleck: Die Ausrottung von 500.000 deutschen Juden (Paris 1936), und es ist ein typisches Beispiel dafür. Obwohl es nicht auf Wahrheit beruht, wird von den ersten Seiten an die Vernichtung der Juden besprochen und glatt die Auswanderung als "physische Vernichtung" der deutschen Juden dargestellt. Genauso werden auch die Nazi-Konzentrationslager für politische Gefangene als mögliche Einrichtungen des Völkermordes angesehen, und es wird besonders auch Bezug genommen auf die hundert Juden, die noch in Dachau 1936 einsassen, von denen 60 schon seit 1933 dort waren. Ein weiteres Beispiel war das sensationelle Buch des deutsch-jüdischen Kommunisten Hans Beimler, Vier Wochen in der Hand von Hitlers Höllenhunden: Das Nazi-Mörderlager Dachau, welches zu Anfang des Jahres 1933 in New York herauskam. Festgenommen wegen seiner marxistischen Verbindungen, behauptete er, dass Dachau ein Todeslager sei; entsprechend seinen eigenen Angaben wurde er schon nach 3 Monaten entlassen. Das gegenwärtige Regime in Mitteldeutschland verleiht jetzt einen Hans-Beimler-Orden für treue kommunistische Dienste.
Die Tatsache, dass Anti-Nazi-Völkermord-Propaganda schon zu einer so frühen Zeit von rassisch oder politisch voreingenommenen Personen verbreitet wurde, sollte bei einem geistig unabhängigen Beobachter äusserste Vorsicht erwecken, wann immer er von derartigen Geschichten aus der Kriegszeit hört. Die Ermutigung der jüdischen Auswanderer sollte nicht verwechselt werden mit dem Zweck der Konzentrationslager im Vorkriegs-Deutschland. Diese wurden dazu benutzt, politische Gegner und Unterwanderer - hauptsächlich Liberale, Sozialdemokraten und Kommunisten aller Sorten - zu internieren, von denen natürlich auch einige Juden waren wie Hans Beimler. Entgegen den versklavten Millionen in der Sowjet-Union, war dagegen die Zahl der Konzentrationslagerinsassen immer sehr gering. Reitlinger gibt zu, dass diese zwischen 1934 und 1938 selten die Zahl von 20.000 im Gesamtreich überschritten hat, und die Zahl der festgenommenen Juden niemals mehr als 3.000 waren (Die SS - Alibi einer Nation, London, 1956, Seite 253).
Zionistische Politik untersucht.
Die Ansicht der Nazis über die jüdische Auswanderung war nicht beschränkt auf eine negative Politik der Ausweisung, sondern befand sich in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des modernen Zionismus. Der Gründer des politischen Zionismus des 20. Jahrhunderts, Theodor Herzl, hatte ursprünglich in seinem Werk Der jüdische Staat Madagaskar als nationale Heimstätte für die Juden vorgesehen, und diese Möglichkeit wurde auch durch die Nazis ernsthaft studiert. Es war ein Hauptplan der nationalsozialistischen Partei vor 1933 und wurde durch die Partei in Broschürenform herausgegeben. Dies bedeutet, dass die Wiedererstehung von Israel als jüdischer Staat weniger annehmbar war, denn es würde daraus ein ewiger Krieg und die Zerbrechung der arabischen Welt herbeigeführt werden, was jetzt auch tatsächlich der Fall ist. Ursprünglich schlugen nicht die Deutschen die Auswanderung der Juden nach Madagaskar vor, sondern die polnische Regierung hatte diesen Plan in Bezug auf ihre eigene jüdische Bevölkerung in Erwägung gezogen, und 1937 sandten sie Michael Lepecki, begleitet von jüdischen Vertretern, nach Madagaskar, um dort dieses Problem zu untersuchen.
Die ersten Vorschläge der Nazis für die Madagaskar Lösung wurden 1938 in Verbindung mit dem Schacht-Plan gemacht. Auf den Rat von Göring hin, stimmte Hitler zu, den Präsidenten der Reichsbank Dr. Hjalmar Schacht zu Verhandlungen mit dem jüdischen Vertreter Lord Bearsted und Mr. Rublee aus New York nach London zu schicken. (Siehe Reitlinger Die Endlösung, London 1953, Seite 20). Der Plan bestand darin, das Vermögen der deutschen Juden als Sicherheit für ein internationales Darlehen einfrieren zu lassen, um die Finanzierung der jüdischen Auswanderung nach Palästina zu ermöglichen. Schacht berichtete Hitler über diese Verhandlungen in Berchtesgaden am 2. Januar 1939. Der Plan, der fehlschlug, weil die Briten den Finanzierungs-Bedingungen nicht zustimmten, wurde erst am 12. November 1938 auf einer von Göring einberufenen Konferenz erörtert. Dort gab dieser bekannt, dass Hitler die Aussiedlung der Juden nach Madagaskar in Erwägung gezogen habe (ibid, Seite 21). Später, im Dezember, erzählte der französische Außenminister Georges Bonnet Ribbentrop, dass die französische Regierung selbst die Auswanderung von 10.000 Juden nach Madagaskar plane.
Vor dem Palästina-Vorschlag von Schacht im Jahre 1938, waren wesentliche erste Besprechungen geführt worden, die sehr früh schon 1935 begonnen hatten und wo zahlreiche Versuche unternommen wurden, um die jüdische Auswanderung nach anderen europäischen Ländern sicherzustellen. Diese Bemühungen gipfelten in der Evian-Konferenez im Juli 1938, jedoch hatte im Jahre 1939 der Plan der Aussiedlung der Juden nach Madagaskar die Oberhand gewonnen. Es ist wahr, dass Helmut Wohltat vom Deutschen Auswärtigen Amt in London über eine bregenzte jüdische Ansiedlung in Rhodesien und Britisch Guinea bis spät in den April 1939 verhandelte. Aber am 24. Januar 1939, als Göring dem Reichsminister des Innern, Herrn Frick, schrieb, dass er die Gründung eines zentralen Auswanderungsbüros für Juden anordne und Heydrich vom Reichs-Sicherheits-Hauptamt damit beauftragte, das jüdische Problem 'durch Mittel der Auswanderung und Räumung' zu lösen, wude der Madagaskar-Plan ernsthaft untersucht.
Die ständigen Anstrengungen der Deutschen Reichsregierung, die Entfernung der Juden aus dem deutschen Reich sicherzustellen, gipfelten darin, dass von den 600.000 deutschen Juden 400.000 ausgewandert waren und eine zusätzliche Anzahl von 480.000 Juden von Österreich und der Tschecho-Slowakei, die ungefähr die gesamte jüdische Bevölkerung darstellte. Dieses wurde durch die Büros für jüdische Auswanderung in Berlin, Wien und Prag durchgeführt, eingerichtet durch Adolf Eichmann, dem Leiter des Büros zum Studium der jüdischen Frage der Geheimen Staatspolizei. Die Deutschen waren sogar so besorgt in dieser Angelegenheit, dass Eichmann Ausbildungslager in Österreich einrichtete, wo junge Juden die Landwirtschaft erlernen sollten, in der Absicht, sie illegal nach Palästina zu schmuggeln. (Manvell und Fraenkel - SS und Gestapo, Seite 6). Hätte Hitler auch nur die geringste Absicht gehabt, die Juden zu vernichten, dann wäre es nicht überzeugend gewesen, dass mehr als 800.000 Juden mit dem grössten Teil ihres Besitzes das Reichsgebiet hätten verlassen können, noch weniger, dass er den Madagaskar-Plan in Erwägung zog. Doch wir werden sehen, dass darüber hinaus die Politik der Auswanderung noch bis in den Krieg hinein in Erwägung gezogen wurde. Vor allem aber der Madagaskar-Plan, den Eichmann 1940 mit Experten des französischen Kolonialministeriums nach der Niederlage Frankreichs besprach, als die Übergabe dieser Kolonie dazu ein praktischer Vorschlag war.