Very important: Please note the author's disclaimer - "Die Rahmengeschichte is "fiction"; die Argumente beider Seite sind natürlich nachprüfbar." Jürgen Graf, Fax sent August 3, 1996


Vorwort

Nach ihrem ebenso plötzlichen wie tragischen Ableben hat die Philologin und Pädagogin Margarete Lämple keine Möglichkeit mehr, sich gegen die haltlosen Verdächtigungen und Verleumdungen zu wehren, die über sie ausgestreut wurden. Ich erachte es deshalb als meine Pflicht gegenüber einer guten, von mir sehr geschätzten Bekannten, diesen Fehlinformationen, seien sie nun aus entschuldbarer Unkenntnis oder in unlauterer Absicht verbreitet worden, aufs entschiedenste entgegenzutreten.

Die am 17. Februar dieses Jahres erfolgte fristlose Entlassung einer von Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schülern sowie von deren Eltern allgemein respektierten Sprach und Geschichtslehrerin hatte ihren Grund nicht, wie die lokalen AntifaGruppen sowie der für seine verantwortungslosen Erfindungen bekannte Zürcher Asphaltjournalist J.F. behauptet haben, in "zügelloser rassistischer Hassprogaganda", sondern darin, dass sie in einer mit ihrer Abiturklasse durchgeführten Projektwoche zu strittigen Fragen der Zeitgeschichte auch Meinungsäusserungen zuliess, die ganz erheblich von den landläufigen Ansichten abweichen. Es ging, grob gesagt, um die Frage, ob die allgemein verbreitete Auffassung vom Schicksal der Juden im Dritten Reich richtig ist oder nicht. Zu diesem Problem hatten sich in der Klasse frühzeitig zwei Fraktionen gebildet, die im Rahmen der besagten Projektwoche ihre unterschiedlichen Thesen engagiert darlegten. Allerdings beschränkte sich die Debatte keinesfalls auf den sogenannen "Holocaust", sondern griff nach und nach auf andere, ebenfalls umstrittene zeitgeschichtliche Fragen über. Offenbar war die Freimütigkeit, mit der Frau Lämple ihre Klasse diskutieren liess, einigen Leuten ein Dorn im Auge, zumal die Pädagogin in wichtigen Punkten von ihrer ursprünglichen Position abrückte und gewisse angeblich unumstösslich nachgewiesene Ereignisse der jüngsten Geschichte unverblümt als "Mythos" oder "Schwindel" anprangerte.

Auf den brisanten Charakter der mit besagter Abiturklasse durchgeführten Projektwoche wurde die Schulleitung durch ein heimlich aufgenommenes Tonband aufmerksam, das dem Rektor am Abend des 16. Februar durch eine Schülerin zugespielt wurde. Der Entscheid zur sofortigen Suspendierung Frau Lämples fiel schon am nächsten Tag. Wer, wie der Verfasser dieser Zeilen, die offene Diskussion als unabdingbare Grundlage der Demokratie betrachtet, kommt nicht umhin, diesen Entscheid der Schulleitung zu missbilligen.

Nach ihrer Entlassung lud Frau Lämple ihre ehemaligen Schülerinnen und Schüler am 18. März zu sich Hause ein, um die Debatte privat fortzusetzen. Ein für den 25. März geplantes weiteres Treffen kam dann nicht mehr zustande. Frau Lämple wurde unter mir nicht genau bekannten Umständen zu einem Gespräch bei der Polizei vorgeladen. Kurz darauf gelang es ihr, mich anzurufen. Was der Grund ihrer Vorladung war, habe ich nicht herausgefunden, da sie sich am Telefon grosse Zurückhaltung auferlegte, doch war ihr die Nervosität deutlich anzumerken. Am folgenden Tag erhielten ihre Angehörigen dann die traurige Nachricht, dass sie auf einer Bananenschale ausgerutscht war und sich das Genick gebrochen hatte. Die Hinterbliebenen erhielten bereits am Tag darauf von der Staatsanwaltschaft eine Urne mit der Asche der Verunfallten, und die Beisetzung fand in Anwesenheit von rund hundert betrübten Angehörigen, Freunden sowie ehemaligen Schülerinnen und Schülerinnen auf dem Friedhof von Sanningen statt, jenem Städtchen also, wo Margarete Lämple dreizehn Jahre lang so segensreich gewirkt hatte.

Um einer Legendenbildung im Falle Lämple entgegenzuwirken, habe ich mich entschlossen, den Inhalt der umstrittenen Diskussionen mit ihrer Abiturklasse so genau wie möglich wiederzugeben. Dabei kam mir die äusserst kooperative Haltung der ehemaligen Schülerinnen und Schüler Frau Lämples sehr zustatten. Von den zehn Schülern der Klasse erklärten sich nämlich neun spontan bereit, mir bei der Rekonstruktion der im Geschichtsunterricht geführten Gespräche behilflich zu sein. An der dafür notwendigen Zeit fehlte es den jungen Leuten nicht, da sie allesamt wegen angeblicher negativer Einstellung zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung von der Schule gewiesen worden waren und nach dem dadurch entgangenen Abitur noch keine konkreten Pläne für ihre Zukunft geschmiedet hatten. Von grossem Nutzen erwiesen sich ferner die höchst umfangreichen stenographischen Aufzeichnungen, die mir Frau Lämple zwei Tage vor ihrer Vorladung bei der Polizei anvertraut hatte.

Gestützt auf diese ausführlichen Notizen sowie auf die Ergebnisse mehrerer Sitzungen mit den verhinderten Abiturientinnen und Abiturienten ist es mir, wie ich glaube, gelungen, in groben Zügen zu rekonstruieren, was sich in den Geschichtsstunden Margarete Lämples zwischen dem 9. Januar und dem 16. Februar sowie in ihrer Privatwohnung am 18. März 1995 abgespielt hat. Dass ich für absolute Genauigkeit nicht bürgen kann, wird mir der Leser nachsehen, zumal mir die im Besitz der Schulleitung befindlichen Tonbandaufnahmen naturgemäss unzugänglich sind. Ebenso versteht es sich, dass ich sprachliche Unsauberkeiten ausgebügelt und Wiederholungen ausgemerzt habe. Somit ist der Inhalt dieses Buches zwar nicht unbedingt dem Wortlaut, wohl aber dem Sinn nach authentisch.

Im übrigen gebe ich als Schweizer Bürger unumwunden zu, dass mein Vertrauen in die Pädagogen und Juristen unseres nördlichen Nachbarstaates ernstlich erschüttert ist. Ganz offensichtlich gibt es unter ihnen einige schwarze Schafe, welche willkürliche Eingriffe in das verfassungsmässig verbriefte Recht der freien Meinungsäusserung vornehmen und so das Ansehen des freiesten Staates der deutschen Geschichte besudeln. Wenn das der Herr Bundeskanzler wüsste! Ich habe ihm schon geschrieben; hoffentlich leitet seine Sekretärin den Brief auch an ihn weiter. Zum Glück wären derartige trübe Machenschaften bei uns in der Schweiz undenkbar, denn die Meinungsfreiheit ist uns Eidgenossen sowie den unsere Interessen vertretenden Politikern heilig.

Basel, den 26. April 1995

Jürgen Graf