LEBENSRAUM! - Eine Trilogie von Ingrid Rimland
Ein englisch-sprachiger Roman - Dritter Band
Buchbesprechung von Helmut Becker

Der dritte Band von Ingrid Rimlands Trilogie "Lebensraum!" bringt die Geschichte der Schwarzmeerdeutschen zu ihrem tragischen Abschluß, von den Nachwirkungen der bolschewistischen Revolution bis zur nahezu totalen Vernichtung im zertrümmerten Berlin.

Rimland führt den Leser zunächst nach Apanlee zurück. Von deutschen Familien, den Neufelds und Epps, vor über hundert Jahren gegründet, ist die früher prächtig gedeihende Siedlung den revolutionären Greueltaten und der allgemeinen Kollektivisierung zum Opfer gefallen. Die überlebenden, zurückgebliebenen Deutschen sind jetzt unterjochte Kollektivarbeiter ohne Bürgerrechte. Bedrohung und Bestrafung, Rache und Terror sind an der Tagesordnung. Die revolutionären Schlagwörter "Freiheit, Brüderlichkeit, Gerechtigkeit" sind zum Spott und Hohn geworden.

Rimland schildert das erschreckende Schicksal dieser Ukrainedeutschen mit Gefühl und zugleich mit Sachlichkeit, offensichtlich viel aus eigener Erfahrung schöpfend. Das Netz der "Cheka" (Geheimpolizei) schnürt sich immer enger zusammen. Eine unerlaubte Bibel, eine versteckte Kartoffel oder eine auf die Seite gelegte Handvoll von Getreidekörnern werden zu "Verbrechen gegen den Staat" erklärt und mit schneller Grausamkeit bestraft im "Namen und zum Wohl des Volkes." Eine Familie nach der anderen wird von Haus und Hof vertrieben. Viele werden nach Sibieren verschleppt oder einfach erschossen.

Die Geschichte verlagert sich nun auf Deutschland. Was für eine Wendung! Rimland malt ein blühendes Bild vom aufwärts strebenden Leben in Deutschland in den dreißiger Jahren unter der Persönlichkeit des Führers der neuen Regierung. Die allgemeine Begeisterung unter der Bevölkerung, der Idealismus und Erneuerungsgeist sind meisterhaft geschildert und wirken überzeugend und echt - bis hin zu "Barbarossa", dem Rußlandfeldzug.

Die deutschen Landser werden mit heller Freude in Apanlee empfangen. Für die dortigen Deutschen bedeutet ihr Einmarsch Freiheit und Erlösung vom täglichen Terror. Das Leben hat sich wieder einigermaßen normalisiert, leider jedoch nur auf kurze Zeit.

Rimland behandelt den Werdegang des Krieges nur am Rande. Frische Truppen ziehen an die Front, Verwundetentransporte kommen durch - auf dem Weg zurück in die Heimat. 1941 tritt Amerika in den Krieg ein. 1942 erfrieren hunderttausende von deutschen Soldaten vor Stalingrad. Allmählich beginnt der Rückzug und damit auch der qualvolle Rückmarsch der deutschen Bevölkerung zusammen mit den deutschen Truppen. Kein Deutscher wollte den bolschevistischen Horden in die Hände fallen, so schmerzlich das Verlassen des über Generationen zur Heimat gewordenen Bodens auch sein würde.

Mit den Augen von Marleen Neufeld und ihrer ukrainischen Amme Natascha und anderer erlebt der Leser wieder das volle Ausmaß des Terrors und Leidens der Schwarzmeerdeutschen auf ihrem unendlichen Marsch durch den russischen Winter gen Westen. Durch Bombardierungern und Partisanenangriffe, durch Nässe und Kälte, Sturm und Frost, nagendem Hunger und täglichen Tod zieht der Flüchtlingsstrom schleppend weiter nach Deutschland. Rimlands Schilderungen sind realistisch, lebensnah und erschütternd.

Das Ende kommt in den Ruinen Berlins, wo der letzte verzweifelte Widerstand gegen die alliierten Mächte gebrochen wird. In einer Schlußbegegnung erschießt Archibald Epp aus Mennotown, der Archtyp des selbstgerechten Amerikaners, den schon tödlich verletzten SS-Soldaten Jonathan Neufeld auf dem Dachstock eines ausgebrannten Hauses während dessen letztem verzweifelten Verteidigungsversuches. Nichtsahnend ihrer gemeinsamen Wurzeln in Apanlee, begeht der Sieger gewissermaßen Brudermord am Besiegten.

Zwar sind Einzelpersonen erfunden, aber die geschichtliche Grundlage der "Lebensraum!"-Trilogie über das Schicksal von Millionen Deutscher unter sowjetischer Gewaltherrschaft und auf der Flucht vor der gefürchteten Roten Armee ist unumstößlich. Was war ihre "Schuld"? Sie waren eben Deutsche. In ihrem meisterhaften Werk hat es Rimland verstanden, uns den Leidensweg unschuldiger Deutscher nahe zu bringen.

Wird Ingrid Rimland in Deutschland einen Übersetzungs-Verleger finden für den Roman, der Leben, Leiden, und Vertreibung schuldloser deutscher Menschen aus der Ukraine schildert? Der Titel allein wird im heutigen Deutschland wohl auf Widerstand stoßen. Und der Inhalt? Wird er die Zensur passieren? Oder wird die im deutschen Grundgesetz verbürgte freie Meinungsäußerung auch hier in den Wind geworfen? Das Ergebnis wird es uns zeigen.