Ein englisch-sprachiger Roman - Zweiter Band
Buchbesprechung von Helmut Becker
Im Mittelband der Trilogie "Lebensraum" schildert Ingrid Rimland das ganze Ausmaß der grauenhaften Tragödie, die im Sog der bolschewistischen Revolution im Oktober 1917 über die Volksdeutschen in der Ukraine herbricht. Sie waren vor mehr als hundert Jahren der Einladung Katharinas der Großen gefolgt, hatten das Land urbar gemacht und sich fest angesiedelt. Als freie Untertanen der Zaren pflegten sie über Generationen hinweg ihre deutsche Kultur und Muttersprache. Rimland malt ein Bild des Wohlstandes und friedlichen Zusammenlebens, aber auch ein Bild unterschweliger politischer Unruhen.
Das zweite Buch beginnt mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges. Apanlee in der Ukraine steht im Mittelpunkt der Erzählung. Anfangs läuft dort das Leben in seinen gewohnten Bahnen ziemlich ungestört weiter, bis auf die zunehmende Widerspenstigkeit von Dominick, Hein Neufelds unehelichem Sohn (mit einer Ukrainerin). Sein Hohn, Spott und seine völlige Mißachtung aller Menschenwürde werden nahezu untragbar für Familie und Gemeinde. Durch beängstigende Gerüchte, die sich wild in Apanlee verbreiten, werden seine schlechten Charakterzüge weiter angefacht. Rimland versteht es hervorragend, die furchterregende Stimmung zu erzeugen, die der bolschewistischen Revolution bevorstand, und dieser Dominick spielt darin eine wichtige Rolle.
Dominick, frisch vom Gefängnis entlassen und voller Haß gegen die fleißigen und begüterten Deutschen, verbündet sich mit einer mordenden, plündernden Verbrecherbande, die alles in ihrem Weg kurz und klein schlägt. Das Land verfällt zunehmend der Anarchie: Blut fließt auf den Straßen; Leichen baumeln von den Bäumen; Häuser, Kirchen und Getreidesilos gehen in Flammen auf; unsagbare Grausamkeiten werden begangen, alle im Namen revolutionärer "Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit". Von Hunger abgehagerte und von Brutalität abgestumpfte Kinder gehören zu dem von Rimland geschilderten Straßenbild, genauso wie Raub, Mord, Todschlag, Vergewaltigungen und andere Greueltaten im Zuge der Revolution.
Die Deutschen in der Ukraine sind zur Zielscheibe des ausgebrochenen Hasses geworden. Sie stehen dem Angriff schutz- und wehrlos gegenüber. Ganze Dörfer werden zerstört, Menschen und Familien, wenn nicht ermordet, werden zu hunderttausendenden nach Sibierien verschleppt.
Während derselben Zeit gedeihen die Kansaszweige der Neufeld- und Eppfamilien in Amerika prächtig. Jan Neufeld und seine Mutter hatten Mennotown bei Wichita mit $2,00 in der Tasche gegründet. Heute steht die Gemeinde im Mittelpunkt der reichen Getreidekammer des amerikanischen Mittelwestens. Mit der Kriegserklärung an Deutschland wird es jedoch bald klar, daß die Loyalitäten dieser Rußlanddeutschen Einwanderer nicht mehr bei Deutschland oder Rußland lägen, sondern vielmehr bei Amerika. Sie sind jetzt Amerikaner. Obwohl die Verbindung mit ihrer ukrainischen Heimat nicht ganz abgebrochen ist, haben sie keine Ahnung vom Ausmaß des Leidens ihrer Verwandten in Apanlee.
Apanlee ist jetzt Farmkollektive, und das trostlose Leben geht dort für die Zurückgebliebenen nach der Revolution nur schleppend weiter. Terror und schreckliche Hungersnot walten überall. Der feste Gottesglaube der gepeinigten Rußlanddeutschen ist das einzige, was sie am Leben hält, ein Glaube, der geheim gehalten werden muß, weil er bei Entdeckung mit dem Tode bestraft wird. Durch die Augen der überlebenden Frauen und Kinder versteht es Rimland mit großem Einfühlungsvermögen, dem Leser die Erfahrungen dieser leidtragenden Menschen unter bolschewistischer Brutalherrschaft nahezubringen.
Im faszinierenden Wechselspiel schwingt die Szene zurück nach Amerika und Mennotown, wo nach den Überschwängen der 20iger Jahre die große Depression ihren Einzug hält. Die Farmer im Mittelwesten werden zudem von den verheerenden Sandstürmen der dreißiger Jahre in der sogenannten "Dustbowl" heimgesucht. Jan Neufeld, erster und wohlhabendster Bürger von Mennotown, verliert alles. In einem tragischen Wahnsinnsrausch erschießt er seine letzten Kühe, wird zum Mörder seines Schwagers, Prediger Epp, und macht seinem Leben ein Ende im Gefängnis.
Kaum sind die Beerdigungen zu Ende, halten die Gläubiger auf Jan Neufelds Gehöft Einzug. Bei der Versteigerung geschieht jedoch etwas sehr Merkwürdiges: In einer Art Verschwörung lehnen sich die braven Bürger von Mennotown gegen die Bankiers auf, denn sie schieben den letzteren die Schuld für die andauernde Wirschaftskrise in die Schuhe und damit auch die Schuld an Jan Neufelds Familientragödie. Statt die Versteigerungspreise höher zu treiben, bieten sie niedriger und niedriger, bis den Bankiers nichts anderes übrig bleibt als mit leeren Händen wieder abzudampfen.
Mit diesem humorvollen, aber verdienten Sieg der Bürger von Mennotown geht der zweite Band der "Lebensraum"-Trilogie zu Ende. Ingrid Rimland zeigt sich immer wieder als hervorragende Erzählerin, und der Leser sieht zweifellos mit Spannung dem dritten Band entgegen.
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