Gastkommentar von Dr. Herbert Schaller
Seit der Aufklärung gelten für das abendländische Strafrecht drei unverzichtbare Grundsätze: Erstens ist immer auch die andere Seite zu hören, bevor man ein Urteil fällt; zweitens darf man sachliche Meinungsäußerungen zwar bekämpfen, aber nicht strafrechtlich verbieten; und drittens müssen Richter frei, unabhängig, nur ihrer Aktenkenntnis und Rechtsmeinung verpflichtet, urteilen dürfen.
An SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim scheint dieser Fortschritt völlig vorbeigegangen zu sein: Erstens hat er sich ein Urteil über den Irving-Fall angemaßt, ohne die geringste Aktenkenntnis zu besitzen; zweitens sehnt er sich offenbar nach einem totalitären Staat, in dem "Geschichte" Religionsersatz ist und "Falschdarstellung" ins Gefängnis führt; und drittens greift er die Unabhängigkeit der Justiz an, weil er - mittels "Gutachten" - schwarze Listen für Richter einführen möchte, die willens sind, rechtlich korrekt zu urteilen, obwohl das Ergebnis politisch unerwünscht ist.
Im Fall des David Irving hat ein Senat aus drei Berufsrichtern die dreijährige Freiheitsstrafe nicht etwa herabgesetzt, sondern nur die noch nicht verbüßten zwei Jahre zur Bewährung erlassen. Ein Freispruch war nicht möglich, weil sich der Oberste Gerichtshof politisch erwünscht verhalten und den Schuldspruch der Geschworenen bestätigt hatte.
Es ist allerdings speziell für hohe Richter sehr schwierig, sich politisch-medialem Druck zu entziehen. Hätte es die Hetze gegen David Irving nicht gegeben, wäre er aus folgenden Gründen freigesprochen worden:
David Irving ist Engländer. Der nur hierzulande und nur wegen der historischen Belastung der Österreicher existierende, inhaltlich völlig unbestimmte § 3g Verbotsgesetz ist auf ihn von vornherein nicht anwendbar. Irving ist studierter Historiker und berufsmäßiger Autor von Büchern, die nirgends verboten sind. Und vor allem: Irving hat seine Vorträge im Jahre 1989 (!) in Absprache mit dem Innenministerium abgehalten, bei dem er vorsorglich hatte nachfragen lassen, um gegen kein österreichisches Gesetz zu verstoßen. Die inhaltlich genau bekannten Vorträge wurden genehmigt. Daß er dann - nach 17 Jahren - trotzdem verhaftet, angeklagt und verurteilt wurde, ist rechtsstaatlich skandalös.
Politiker von der Art Jarolims machen Angst vor einem Rückfall in totalitäre Zeiten: Hat ein Mensch das Pech, politisch unerwünscht zu sein, kann sich nicht leicht ein objektiver Richter und auch kaum ein Rechtsanwalt finden, die ihm ernsthaft zur Seite zu stehen.
Für faschistoide Machtmenschen ist diese Aussicht natürlich paradiesisch, für mündige Staatsbürger eines pluralistisch-demokratischen Rechtsstaats ist sie eine Katastrophe. Es wäre interessant zu wissen, ob uns die Engländer wirklich zu dieser Art von Freiheit verhelfen wollten.