Wie hoch ist die Zahl der jüdischen Opfer? - Schon damals angezweifelt!


(Baseler Nachrichten, Abendblatt, Donnerstag, 13 Juni 1946, seite 2, Nr. 243)


Ganz unabhängig von den in Nr. 241 der "Baseler Nachrichten" veröffentlichten Angaben von Dr. Perlzweig, Chef des politischen Departments des Weltjudenkongresses über die Zahl der Juden, die dem Antisemitismus des Naziregimes in Europa zum Opfer gefallen sind, haben wir von einem Korrespondenten in Amerika unter dem Titel "Wie hoch ist die Zahl der jüdische Opfer?" die folgenden Ausführungen erhalten:

Fast alle Staaten (mit der bezeichnenden Ausnahme der Sowjetunion!) haben inzwischen die offiziellen Ziffern ihrer Kriegsverluste bekanntgegeben - wobei sich die erstaunliche Tatsache ergab, das diese Verluste durchwegs erheblich unter denen des ersten Weltkriegs lagen.

Um so verwunderlicher ist es, daß hinsichtlich der Verluste des jüdischen Volkes bisher keinerlei offizielle Ziffern, sondern nur private und offiziöse Schätzungen veröffentlicht wurden. Diese Schätzungen bewegen sich - wohl nach einer zentralen Propaganda- Ziffer - zwischen 5 und 6 Millionen Toten, die das jüdische Volk als Folge der Verfolgungen des Hitlersystems und des Krieges erlitten haben soll. Wenn diese Zahl stimmt, dann wären die Verluste der Juden größer als die Verluste Englands, Amerikas, Australiens, Kanadas, Neuseelands, Frankreichs, Belgiens, Hollands, Dänemarks, Norwegens und Luxemburgs zusammen, was es doppelt unbegreiflich macht, daß man sich noch immer mit einer bloßen Schätzung dieser gewaltigen Verlustziffer begnügt.

Aber ein summarischer Überblick macht es erkennbar, daß diese Zahl der jüdischen Opfer nicht stimmen kann. - Angesichts des erwähnten merkwürdigen Mangels offizieller Unterlagen kann man die Frage heute nur auf Grund der vorliegenden allgemeinen Angaben untersuchen.

Danach betrug die Zahl der Juden in Europa - außerhalb der Sowjetunion - im Jahre 1933 ungefähr 5,6 Millionen, eine Zahl, die die American Jewish Conference (gemäß einem Bericht in den "New York Times" vom 11. Januar 1945!) selbst angab. - Von dieser Zahl müßten noch zirca 1 Million in Abzug gebracht werden, die östlich der Molotow-Ribbentrop-Linie lebten und also vor dem 21. Juni 1941 völlig außerhalb der Verfolgung des Hitlersystems standen und sich nach diesem Datum zum allergrößten Teil mit der zurückgehenden Roten Armee ins Innere Rußlands und nach Sibirien flüchteten. Selbst wenn wir annehmen, daß sich nur ungefähr die Hälfte dieser östlich der Ribbentrop-Molotow-Linie lebenden Juden vor dem Einmarsch der Nazis retten konnten, so gewinnen wir doch eine feste, auch von der höchsten jüdischen Autorität anerkannte Ausgangszahl einer jüdischen Gesamtbevölkerung in Europe von 5 Millionen Juden, die überhaupt in den Machtbereich Hitlers geraten konnten.

Aber auch hiervon müssen sofort abgezogen werden die in den neutralen Ländern Europas lebenden Juden. Gemäß "World Almanac 1942," Seite 594, betrug die Zahl der Juden in diesen neutralen, bzw. nicht von Hitler überrannten Ländern: Gibraltar 868, England 300.000, Portugal 1200, Spanien 4000, Schweden 6653, Schweiz 17.973, Irland 3686, Türkei 78.730 - zusammen also: 413.128.

Somit veringert sich die Zahl der für Hitler and Himmler überhaupt "greifbaren" Juden in Europa auf zirca 4,5 Millionen. Von dieser Zahl wiederum ist nur in Abzug zu bringen der gewaltige Flüchtlingsstrom, der sich in den Jahren 1933-1945 in alle Länder und Erdteile ergoß. Bei der großen internationalen Unterstützung, die diesem Flüchtlingsstrom bedrohter Juden mit Recht zuteil wurde, gelang es einem ganz erheblichen Prozentsatz dieser Juden, einen sicheren Hafen zu erreichen.

Leider liegen auch hier keine genauen offiziellen Statistiken vor, die die Einwanderung von Juden nach Nord- und Südamerika, nach Australien, Asien sowie in die neutralen Länder Europas exakt wiedergeben. Da jedoch die Annahme berechtigt ist, daß von 1933 an mindestens 80% der unter der Rubrik "Deutsche, Österreicher und Polen" klassifizierten Einwanderer Angehörige des jüdischen Volkes waren und seit Kriegsbeginn wohl nahezu die gesamte Zahl dieser Einwanderer Juden waren, so ergibt eine aus verschiedenen Quellen (u. a. der jüdischen Zeitung "Aufbau") zusammengestellte Übersicht ungefähr folgendes Bild der jüdischen Einwanderung von 1933 bis 1945:

Nach England zirca 120.000, Schweden zirca 25.000, Schweiz zirca 60.000, Spanien und Portugal zirca 5000, Kanada zirca 60.000, USA zirca 450.000, Zentralamerika zirca 75.000, Südamerika zirca 225.000, Australien zirca 15.000, China (Schanghai) zirca 35.000, Indien zirca 25.000, Afrika zirca 45.000, Palästina zirca 300.000. Zusammen also zirca 1.440.000 oder rund 1,5 Millionen.

Dabei ist jeder Zustrom in die gewaltigen Gebiete der Sowjetunion und Sibirien außer Ansatz geblieben, weil darüber keinerlei Statistiken vorliegen. Bemerkt sei allerdings, daß gemäß einem Betracht in den "New York Times" allein nach Sibirien mehr als 500.000 polnische Juden geflüchtet sein dürften, wie aus einem kürzlichen Vortrag einer von dort zurückkehrenden jüdischen Dame hervorging.

Die Zahl der Juden, die also tatsächlich in den Machtbereich Hitlers fielen, verringert sich dadurch auf höchstens 3 Millionen. Leider umsatzt der Mangel an genauen Zahlen auch die Zahl der überlebenden Juden in Europa und selbst der ausführliche Bericht des englisch- amerikanischen Palästina-Komitees begnügt sich merkwürdigerweise nur mit "Schätzungen." Gemäß dieser Schätzung beträgt die Zahl der heute noch in Europa (außerhalb der Sowjetunion) lebenden Juden 1.559.660.

Es ergibt sich also nach dieser Aufstellung, die zwar leider nicht auf neuen amtlichen Zahlen beruht, deren Grundzahlen aber durchwegs von offizieller Seite stammen, daß alles in allem weniger als 1,5 Millionen Juden vorläufig als "tot oder vermißt" bezeichnet werden müssen.

Es ist zu hoffen, daß auch von dieser Zahl sich noch ein erheblicher Prozentsatz auffinden wird, wenn erst einmal genaue Statistiken vorliegen. Angesichts der gewaltigen Bedeutung, die gerade die "Ausrottung" der Juden in der Weltmeinung erhalten hat, ist es von zwingender Notwendigkeit, daß die Vereinigten Nationen schnellstens einen offiziellen Untersuchungausschuß ins Leben rufen, um festzustellen, wie hoch wirklich die Todesopfer des jüdischen Volkes gewesen sind.

Eines ist schon heute sicher: die Behauptung, daß diese Zahl 5-6 Millionen beträgt (eine Behauptung, die sich unbegreiflicherweise auch der Palästina-Ausschuß zu eigen macht) ist unwahr. Die Zahl der jüdischen Opfer kann sich zwischen 1 und 1,5 Millionen bewegen, weil gar nicht mehr für Hitler und Himmler "greifbar" waren. Es ist aber anzunehmen und zu hoffen, daß die endgültige Verlustziffer des jüdischen Volkes sogar noch unter dieser Zahl liegen wird. Aber Klarheit tut not - und deshalb sollte eine Untersuchung seitens eines eigenen Ausschusses der UNO die für die Gegenwart und Zukunft so wichtige Wahrheit feststellen.