Aus The Journal of Historical Review Ausgabe Nov./Dez. 1995 (Übersetzung)

Treffen internationaler Historiker spiegelt "politisch korrekte"
akademische Agenda wider

Wie eine Gesellschaft die Vergangenheit sieht, spiegelt nicht nur ihre derzeitig vorherrschenden Werte und Zukunftsaussichten wider, sondern beeinflußt äußerst bedeutsam die Art und Weise, in der ihre Menschen die Zukunft gestalten. In den vergangenen 20-30 Jahren waren einflußeiche Wissenschaftler und ihre politischen Verbündeten mehr und mehr erfolgreich in der Auferlegung gleichmacherischer, freiheitlich-demokratischer, "multikultureller" und "eine Welt" Maßstäbe auf das akademische Leben in den Vereinigten Staaten und Westeuropa.

In scharfem Gegensatz zu der traditionellen westlichen Wissenschaft und den tiefverwurzelten Ansichten der großen Mehrheit der amerikanischen Menschen wurde diese "politisch korrekte" Weltansicht in den Klassenräumen und Textbüchern des Landes festgelegt. Dies spiegelt sich z.B. wider in der "multikulturellen" und antiwestlichen Betonung der Themen von "Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht und Klasse" durch die Organisation amerikanischer Historiker, dem führenden Verband von Wissenschaftlern für amerikanische Geschichte (S. den Bericht über die OAH Konferenz von 1993 im Juli-August 1993 Journal, SS. 20-24.)

Diese PC (politisch korrekte) Agenda wurde jetzt durch das führende internationale Organ der Historiker formell übernommen.

Begrenzte Kategorie von 'Themen'

Vor einigen Monaten trafen sich Wissenschaftler aus aller Welt in Montreal zum 18. Internationalen Kongreß historischer Gesellschaften (ICHS). Der Kongreß trifft sich nur alle fünf Jahre, und dieses Zusammenkommen - 27. August - 3. September 1995 - war erst das zweite, das außerhalb Europas stattfand. Drei Artikel über die ICHS und ihren neuen Blickpunkt erschienen in der November 1995 Ausgabe von Perspektiven, dem Mitteilungsblatt des Amerikanischen Historiker Verbandes (AHA), der größten US Organisation von Historikern.

Organisatoren des Kongresses (berichtete das AHA Mitteilungsblatt) "erklärten" - etwas zurückhaltend - "daß es ihre Absicht sei, die 'antiquierte' und oft 'gesondert betrachtende' Art und Weise einiger der wissenschaftlichen Beiträge bei vergangenen Treffen zu bereinigen".

Die Organisatoren waren dann auch wirklich in der Lage, den "intellektuellen Blickpunkt" des Kongresses wesentlich zu ändern - am auffallendsten dadurch, daß sie den Beirägen für Konferenzen ein neues Rahmenwerk auferlegten. "Durch außerordentlichen Bemühungen" (dem AHA Mitteilungsblatt zufolge), hatten sie Erfolg darin, daß alle Referate für den Kongreß in eine Gruppe von Kategorien innerhalb von drei "Haupt- Themen" eingeteilt werden müssen, formal festgelegt als:

1. Nationen, Völker und Staaten Formen (Ethnische Gruppen und einheimische Völker; Nation-Staaten und multikulturelle Staaten; wechselnde Formen von Nationalismen)

2. Frauen, Männer und historischer Wandel: Fallstudien über den Einfluß der Geschichte der Geschlechter (Die Rolle von Geschlecht und Mann-Frau Beziehung in größerem historischen Wandel - Politisch, Sozial, Religiös)

3. Menschen in der Diaspora: Wechselnde Quellen, Formen und Bedeutungen (Griechen, Juden, Inder, Chinesen, Portugiesen, Iren, Armenier usw.)

Um sicherzustellen, daß Kongreßreferate mit dem neuen "Fokus"rahmen übereinstimmten, hatten die Organisatorer "sorgsamerweise Vortragende für die Besprechung der Hauptthemen herangezogen."

Größere feministische Rolle

Eine Schlüsselteilnehmerin beim Kongreß war Claire Moses, Editor der Feministische Studien (Feminist Studies) Zeitschrift und Leiterin des Studienprogramms für Frauen an der Universität von Maryland. Sie war "Mitverantwortliche" für die Themenkategorie "Frauen, Männer und geschichtlicher Wandel" des Kongresses und hatte für das Mitteilungsblatt des AHA einen Bericht über das Treffen in Montreal vorbereitet.

Während der letzten 20 Jahre, erklärte Moses, hat es praktisch eine Revolution im Berufsstand der Historiker gegeben. Bei dem ICHS Treffen im Jahre 1975, bemerkte sie, waren "keine Frauen anwesend, weder als Gegenstand historischer Untersuchung noch als Teilnehmer an Diskussionsrunden über andere Gesprächsthemen." Heute ist die Situation drastisch verschieden. Bei dem ICHS Treffen 1995, berichtete Moses, "stand Frauen- und Geschlechter- Geschichte klar im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit - eines der drei 'Hauptthemen', dem ein ganzer Tag für Diskussionsrunden im Stil einer Vollversammlung eingeräumt wurde.

Diese Umwandlung erfolgte nicht zufällig. "Viel stille Diplomatie", bemerkte Moses, "ging dem diesjährigen Kongreß voraus und half dabei, sicherzustellen, daß Geschichte über Frauen und Geschlecht die Beachtung finden würde, die sie verdient." Weiter über die prominente Rolle, die die Feministinnen bei der Konferenz spielten, reflektierend, "organisierte die Internationale Vereinigung für Forschung in der Geschichte der Frauen", ein ganzes Programm, das eine Reihe von Tagen lief.

Das bedeutet nicht, daß es bei der Montrealer Konferenz keine Kontroversen gab. Dispute entstanden aus 'der mehrfachen Bedeutung von 'Geschlecht' und ihrer Stellung in der Frauenpolitik," berichtete Moses, mit einigen der heißesten Diskussionen, die "Argumente über 'Geschichte der Geschlechter' gegen 'Geschichte der Frauen' einschlossen.

Überraschende Behandlung des Kommunismus

Nicht jeder ist glücklich über die Richtung der "neuen" ICHS. Ein unzufriedener Teilnehmer war Wilcomb Washburn, Direktor des amerikanischen Studienprogramms am Smithsonian Institut. Er hatte in den vergangenen 30 Jahren an sechs Treffen teilgenommen und hatte diesem Treffen in Montreal mit gespannter Ungeduld entgegengesehen.

Washburn war besonders neugierig in Bezug auf ein Thema:

"Wie würde die Haltung von Historikern der beiden großen Zentren der Welt nach dem plötzlichen Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten sowie der allgemeinen Diskreditierung des Sozialismus weltweit sein?"

Was ich entdeckte, bestürzte mich (berichtete Washburn). Die Historiker aus der Sowjetunion, denen gegenüber ich in meinen beiden vorherigen Essays äußerst kritisch gewesen war, waren offen und mitteilsam. Die einzigen Stimmen, die die sowjetischen histographischen Traditionen der Vergangenheit unterstützten, kamen während mehrerer Sitzungen von Amerikanern unter den Zuhörern, die zum Beispiel behaupteten, daß Stalin das System irregeleitet habe und daß der Marxismus-Leninismus, trotz des Versagens in 70 Jahren, wenn richtig durchgeführt, wirklich arbeiten würde.

Washburn wollte wissen, "warum die epochemachenden Ereignisse der 1980er und frühen 1990er sich nicht im Programm des internationalen Kongresses widerspiegelten." Zu seiner Bestürzung stellte er fest, daß "die von dem kontrollierenden Organ festgesetzten Themen kalkuliert zu sein schienen, jede Diskussion über den Zusammenbruch der mächtigsten geschichtlichen Kraft des 20. Jahrhunderts zu verhindern."

Als Washburn den ICHS Präsidenten fragte, "warum die Themen so genau der zur Zeit modischen Besorgnis über Rasse, Klasse und Geschlecht entsprachen und den Zusammenbruch des Kommunismus übersahen, hob dieser hervor, daß die Themen breit definiert seien und die Form der Sitzungen und der Inhalt der Referate die Verantwortung der Organisatoren jeder Sitzung seien und nicht die des ICHS."

'Unterdrückten-Status'

Die "Diaspora" Sitzung war von den beiden "Mitverantwortlichen": Natalie Zemon Davis, einer prominenten amerikanischen feministischen Historikerin, und dem israelischen Historiker Yosef Kaplan, ziemlich eng organisiert. Einige derer, die an der Sitzung teilnahmen, berichtet Washburn,

beschwerten sich darüber, daß die Kategorie "Diaspora" durch die vielen Gruppen von Gastarbeitern, die bemüht waren, ihren Unterdrückten-Status zu etablieren, bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Andere beschwerten sich darüber, daß die Massenwanderung (oder Diaspora) der Engländer, Franzosen und Spanier wegen ihrer unterstellten Rolle als Unterdrücker anstatt Unterdrückter ignoriert werde.

Aber diese verstreuten Stimmen konnten nur wenig dazu tun, die Euphorie der Kongreß Organisatoren zu dämpfen.

Herbert Shapiro, von der Universität von Cincinnati, machte sich lustig über die Idee, daß die radikale Linke irgendeine Bedrohung für das amerikanische akademische Leben darstelle, er legte vielmehr nahe, daß die wirkliche Bedrohung von der radikalen Rechten komme. Tatsächlich haben Amerikas Geschichtskommissare bereits eine Maßnahme innerer Zensur verhängt.

Im Oktober 1992 verdammte der Vorstand der amerikanischen Historiker formell das Institut of Historical Review und beschloß, jede "Anzeige oder Ankündigung" durch das IHR im OAH Mitteilungsblatt zu verbieten. Dieser einmalige Akt von Zensur, der alle IHR Anzeigen ohne Rücksicht auf den Inhalt verbietet, weist auf den Doppelstandard hin, der sich offensichtlich immer mehr im amerikanischen akademischen Leben durchsetzt. Das OAH Mitteilungsblatt heißt z.B. Reklame für marxistische Arbeiten willkommen, die vom Internationalen Verlag - seit vielen Jahren das Verlagshaus der kommunistischen Partei in den USA - veröffentlicht werden. (S. die Juli-August 1993 Journal, SS. 23-24.)

'Opfer-Status'

Der Kongess in Montreal spiegelt die gegenwärtig moderne "ungerechte Behandlung" Manie wider, mit der Schwarze, Homosexuelle, Juden, Feministinnen und andere um den "Opfer Status" kämpfen. Hinter dieser Mode steht die Idee, daß dieser begehrte Status den Mitgliedern der unterdrückten Gruppe eine Art von Vornehmheit oder moralischem Format verleiht. Mehr noch, eine Rangordnung für ungerechte Behandlung schreibt denjenigen das höchste Maß an moralischer Autorität zu, die am "ungerechtesten behandelt" wurden.

Vollständig ausgenommen vom Rennen um den Opfer-Status sind europäische (weiße) Personen, die allgemein als Ur-Übeltäter der Geschichte dargestellt werden. Während der Platz Nr. 1 in der Reihe der bösen "Unterdrücker" in der Geschichte den Deutschen der Ära des Dritten Reiches vorbehalten ist, rangieren nicht weit dahinter die Briten, Franzosen, Spanier and (weiße) Amerikaner.

Während viele Außenstehende den Historischen Kongreß in Montrepal als im Grunde genommen unbedeutend und seine ideologische Agenda als absurd oder lächerlich abtun mögen, ist er genauer gesehen ein Kampfplatz in einem sich hinziehenden ideologischen und kulturellen Krieg - ein intellektueller Zusammenstoß zwischen den tiefgreifendsten sozialen und politischen Konsequenzen, insbesondere für die Vereinigten Staaten und die westliche Welt. Wie Kongreß-Organisator Claire Moses offen zugab, "unsere wissenschaftliche Arbeit steht niemals über den Spannungen politischer Kämpfe."